Der Karpaten-Braunbär scheint sich im rumänischen Siebenbürgen wohlzufühlen – trotz Trophäenjagd.

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Farbenfrohes Transsylvanien: Der älteste Sohn des amerikanischen Präsidenten, Donald Trump Jr., soll genauso in Rumänien auf der Jagd gewesen sein wie König Juan Carlos I. von Spanien und der frühere Emir von Katar.

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In Ausnahmefällen greifen sogar die Naturschützer zum Gewehr. 2018 hat die FCC 15 Wildschweine um die Dörfer an der Schutzgebietsgrenze erschossen, die immer wieder die Gärten und Felder der Bauern zerstörten.

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Die Wildnis beginnt direkt vor seiner Haustür. Von seinem Reiterhof in Șinca Nouã blickt Christoph Promberger auf die nahen Făgăraș-Berge, blühende Wiesen vor dunklen Waldhängen – ein vertrautes Panorama im rumänischen Siebenbürgen. Doch die Gegend hält für Naturbegeisterte weit mehr als idyllische Aussichten bereit.

"Ein so riesiges Gebiet ohne Straßen und Siedlungen, in dem noch immer Wolf, Bär und Luchs leben", sagt Promberger, "das ist in Europa ziemlich einzigartig." Der deutsche Forstwissenschafter und Wildbiologe leitet zusammen mit seiner österreichischen Frau Barbara Promberger-Fürpaß aus der Steiermark die Fundatia Conservation Carpathia (FCC). Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, im Zentrum Rumäniens den größten Wald-Nationalpark Europas zu schaffen. Der bereits bestehende Piatra Craiului-Nationalpark soll nur ein Teil davon sein. Der im Deutschen Königsteingebirge genannte Höhenzug der Südkarpaten steht bereits seit 1938 unter Naturschutz. Gemeinsam mit den angrenzenden Făgăraș- und Leaota-Bergen soll in Zukunft ein Schutzgebiet von mehr als 250.000 Hektar entstehen – das entspricht fast der Fläche Vorarlbergs.

Öko-Reiterhof

Doch die Wildnis ist bedroht: Abertausende Hektar Wald wurden zwischen 2005 und 2010 in den Karpaten illegal gerodet. Eine regelrechte Holz-Mafia entwickelte sich, gedeckt durch korrupte Politiker. Nach Angaben der Stiftung Euronatur sollen von den mehr als 200.000 Hektar unberührter Wälder, die im Jahr 2004 kartiert wurden, gerade noch die Hälfte intakt sein. 2009 gründeten Barbara und Christoph Promberger die FCC. Er kam 1993 aus München nach Rumänien, um über die Großraubtiere der Karpaten zu forschen. Sie schrieb ihre Diplomarbeit über Wölfe. Gemeinsam entschieden sie, in Siebenbürgen zu bleiben, und gründeten nach Abschluss ihrer Forschungsarbeit den Öko-Reiterhof Equus Silvania.

Einer glücklichen Fügung verdanken die Prombergers, dass sie unverhofft zu Eltern eines riesigen Schutzgebiets wurden. Sie erzählten einem Gast, der Schweizer Journalistin Hedi Wyss, von dem dramatischen Kahlschlag in den Karpaten. Die einzige Möglichkeit, die Wälder zu retten, sahen sie darin, sie statt für den Holzeinschlag für den Naturschutz aufzukaufen. Wyss schlug den beiden vor, sich um Hilfe an ihren Bruder zu wenden. Die Stiftung des Mäzens Hansjörg Wyss, der mit Medizintechnik reich wurde, fördert weltweit Naturschutzprojekte. Die Prombergers luden ihn kurzerhand nach Rumänien ein. Der Milliardär war begeistert – und hatte große Pläne: am besten das gesamte Făgăraș-Gebirge mit den höchsten Gipfeln Rumäniens zum Schutzgebiet machen. Bis heute wurden mehr als 23.000 Hektar Land aufgekauft. Gemeinsam mit dem Nationalpark ist eine Fläche von 70.000 Hektar zusammengekommen, in der nicht mehr gejagt wird.

Begehrtes Jagdrevier

Wer durch die Waldeinsamkeit der Fãgãraș-Berge wandert, mag tagelang keinem Menschen begegnen. Dagegen stehen die Chancen gut, auf Bären- oder sogar Wolfsspuren zu stoßen. Was auf Touristen wie ein unberührtes Naturparadies wirkt, ist in Wahrheit ein begehrtes Jagdgebiet. "Gerade haben die Linkspopulisten im rumänischen Senat ein Gesetz durchgebracht, nach dem Bären wie Hirsche und Rehe geschossen werden dürfen", sagt Christoph Promberger, "wenn das Parlament es nicht stürzt, könnten viele hunderte Bären getötet werden."

Erst 2016 erreichten die FCC und andere Naturschutzverbände einen Stopp der Trophäenjagd. "Wir konnten die Regierung überzeugen, dass diese Form der Jagd letztendlich nach EU-Recht illegal ist." Seither bestimmt das rumänische Umweltministerium eine maximale Anzahl an Braunbären, die nur in Konfliktfällen geschossen werden darf. Aktuell sind es maximal 140 jährlich.

Besessener Bärenjäger

"Die Jäger haben das natürlich ausgenutzt und die Zahl ausgeschöpft", sagt Promberger. Oft seien jedoch nicht die wirklichen Problembären das Jagdziel, sondern stattdessen große alte Bären, deren riesige Schädel sich Trophäenjäger aus aller Welt gerne als Statussymbol an die Wand hängen. Manche sollen über 10.000 Euro für einen stattlichen Bären zahlen.

Trophäenjagd hat in Rumänien Tradition. Nicht nur der Diktator Nicolae Ceaușescu war bekannt als besessener Bärenjäger – er lud verbündete Staatsmänner wie Erich Honnecker, Josip Broz Tito und Muammar Gaddafi zu Jagdausflügen ein. Lange vor ihnen vergnügte sich der Adel bei der Pirsch nach den mächtigsten Geweihen, Wolf- und Bärenschädeln, es folgten Unternehmer, Prominente und Politiker. Der älteste Sohn des amerikanischen Präsidenten, Donald Trump Jr., soll genauso in Rumänien auf der Jagd gewesen sein wie König Juan Carlos I. von Spanien und der frühere Emir von Katar. Berüchtigt unter Tierschützern ist die jährliche Wildschweinjagd des rumänischen Milliardärs und ehemaligen Managers von Boris Becker, Ion Tiriac, zu der sich gerne Industrielle wie Wolfgang Porsche und der ehemalige Daimler-Chrysler-Vorstand Klaus Mangold gesellen.

Wildnis ohne Wert

"Ich will gar nicht abstreiten, dass etwa in Afrika in manchen Gebieten die Trophäenjagd zum Erhalt von Naturlandschaften beitragen kann", sagt Promberger, "wenn Wildnis keinerlei ökonomischen Wert hat, lässt sie sich über kurz oder lang leider nur schwer verteidigen". Diesem gängigen Argument für die Trophäenjagd schließt er sich aber nicht widerspruchslos an. "Für mich ist es daneben, sich ein Geweih oder einen ausgestopften Schädel an die Wand zu hängen. Das widerspricht meiner Ethik." Die FCC setzt stattdessen auf Alternativen wie den Ökotourismus.

Seit die Trophäenjagd verboten wurde, machen die Jäger Stimmung gegen die Bären. "Sie tun so, als sei vorher alles unter Kontrolle gewesen, und nun laufen überall diese Killermaschinen herum", sagt Promberger, "das ist völliger Schwachsinn." Verletzte und Tote habe es immer wieder gegeben, seit er in Rumänien lebt. "Man muss das aber in Relation sehen: Wenn im Jahr drei Menschen in Rumänien durch Bären sterben und 2000 im Straßenverkehr, wie kann es da sein, dass man die Bären abschießen will, aber niemand auf die Idee kommt, Autos zu verbieten?"

Ausnahmefälle

Ein prinzipieller Jagdgegner ist Promberger hingegen nicht. "Ich besitze selbst einen Jagdschein und habe prinzipiell nichts gegen Fleischjagd." Allerdings hat sich seine Sicht auf die Jagd seit der Gründung des Nationalparkprojekts verändert. "Früher habe ich die Jagd als legitimes Mittel des Wildtier-Managements gesehen, heute sehe ich das nur noch mit Einschränkungen, weil sie selten so funktioniert, wie ich mir das wünsche." Häufig ist er mit Jägern konfrontiert, die zwar für den Erhalt der Wälder eintreten, den Nationalpark aber grundsätzlich ablehnen.

"Wir wollen keinen Krieg gegen die Jäger", sagt Promberger. Und in Ausnahmefällen greifen sogar die Naturschützer zum Gewehr. 2018 hat die FCC 15 Wildschweine um die Dörfer an der Schutzgebietsgrenze erschossen, die immer wieder die Gärten und Felder der Bauern zerstörten. Im September mussten die Ranger der FCC zum ersten Mal eine Bärin erschießen, die über Monate in die Ställe von Bauern und Schäfern einbrach und deren Vieh riss. "Die Leute waren verärgert, manche trauten sich kaum aus dem Haus", sagt Promberger, "die Stimmung begann zu kippen."

Probleme bleiben

Die Stiftung fürchtete, dass Anrainer im Wald Schlingen auslegen oder Giftköder gegen die Bären einsetzen könnten. "In dem Gebiet leben etwa 40 Bären. Wenn einer oder zwei für die Konflikte verantwortlich sind und die gesamte Population gefährden, ist es besser, wir können die anderen 38 schützen." Erst nachdem durch Genanalysen dokumentiert war, dass ein vierjähriges Weibchen die meisten Angriffe verübt hatte, wurde eine Abschussgenehmigung beim Umweltministerium beantragt. Ein zweites Tier konnte in eine andere Region gebracht werden.

Die Trophäenjäger würden sich kaum für die Problembären interessieren. "Oft sind Jungtiere für die Viehrisse verantwortlich", sagt Promberger, "die Trophäenjäger aber wollen große männliche Tiere mitten im Wald jagen, keine kleinen in den Gärten." So würden Abschussgenehmigungen für Problembären insgeheim zur Trophäenjagd genutzt. Die Probleme der Bauern blieben aber weiter bestehen.

Info: www.carpathia.org