Die dunkle Fee verleiht Angelina Jolie Flügel. Trotz Michelle Pfeiffer prägt sie auch "Maleficent 2".

Foto: 2019 Disney Enterprises, Inc

Seit geraumer Zeit unterzieht Disney seinen angestaubten Back-Katalog mit Realfilm-Remakes einer Modernisierungskur, die noch lange nicht an ihr Ende gekommen ist. Die Aktualisierungen sind in der Regel äußerst erfolgreich und binden ein neues Publikum an die Marke, das die oft misogyne bzw. rassistische Botschaft und die starren Rollenbilder in den Originalen nicht mehr goutiert. Die althergebrachte Botschaft wird aber nicht grundlegend hinterfragt, sondern meist unter den Teppich gekehrt oder ihr Gehalt einfach umgepolt.

Walt Disney Studios

Unter anderem lässt sich das an Maleficent – Die dunkle Fee (2014) beobachten, einem Dornröschen-Remake mit Spin: Der Prinz scheitert daran, die verfluchte Schönheit aus ihrem Koma aufzuwecken, stattdessen obliegt diese Aufgabe der Patentante und ambivalenten Heldin Maleficent, von Angelina Jolie mit Freude am Fies-Sein verkörpert. Im Gegensatz zum Zeichentrickmärchen ist sie nicht mehr bösartig aus Selbstzweck, sondern deshalb, weil der einstige Freund aus Kindheitszeiten ihre Flügel abschneidet.

In dieser Szene klingt einerseits die krebsbedingte Amputation beider Brüste Jolies an, andererseits ist sie auch eine Vergewaltigungsmetapher (der stark übergriffige Prinzenkuss wird zwar lächerlich gemacht, aber trotzdem nicht groß hinterfragt).

Von Abgründigkeit bereinigt

Das Sequel ist von derlei Abgründigkeit bereinigt. Stattdessen herrscht in Maleficent – Mächte der Finsternis (Regie: Joachim Rønning) munteres Märchentreiben von anno dazumal, sprich: ein klares Gut-Böse-Schema. Böse ist diesmal die Menschheit, die allein als expansionistische, ausbeuterische Herrschaft in Erscheinung tritt. Sie will der ach so guten Natur an den Kragen, die vor Leben förmlich explodierend und als ausschließlich harmonische, panvitalistische Idylle inszeniert ist.

Spätestens wenn Maleficents Artgenossen eingeführt werden, fühlt man sich an Avatar erinnert. Den Na’vi ähnlich, lebt ein Stamm gehörnter Flughumanoiden in einer Kolonie versteckt vor den Menschen und kultiviert seine urigen Rituale. Die bunte Lollipop-Ästhetik hat schon etwas für sich, zumal sie nicht so forciert mystische Tiefe vorgaukelt wie James Camerons Öko-Eso-Epos, sondern eher als hübsches Beiwerk fungiert, an dem sich das Auge nicht allzu lange sattsehen muss: Die Filmlaufzeit beträgt schon fast ungewöhnlich kurze 100 Minuten, die schnell vergehen. Wie der obligatorische Finalkampf im letzten Drittel ist das Sequel flott inszeniert, ohne aber großen Eindruck zu hinterlassen.

Anti-Märchen-Substanz

Die Stelle des bösen Königs aus dem ersten Teil nimmt Michelle Pfeiffer als intrigante Despotin ein – davon getrieben, das Königreich der Moore zu unterwerfen. Zu diesem Zweck lässt sie ein Pulver herstellen, das die vermenschlichte Natur in ihre gewohnte Gestalt verwandelt (aus Baumwesen werden normale Bäume etc.). Fast könnte man meinen, es handelt sich um eine Anti-Märchen-Substanz, die für die "zersetzende" Kritik am Stoff generell steht.

Im Versuch, sich gegen Kritik abzudichten und es allen recht zu machen, wirft Disney zahlreiche Updates auf den Markt, die Fortschritt signalisieren sollen, wobei es meist beim Signal bleibt. Das Prinzip Herrschaft wird so gut wie nie angetastet, Probleme erscheinen als Personal- und Genderproblem: Sofern eine liebe Königin auf dem Thron sitzt, passt das schon mit der Autokratie.

Und, so scheint’s, sofern das Studio seine problematischen (rassistischen, misogynen) Filme der Vergangenheit halbherzig an den Zeitgeist anpasst, passt’s auch. Wenn sie dabei so unterhaltsam ausfallen wie Maleficent 2, kann man ja ein Auge zudrücken. Was das zweite Auge sieht, ist dennoch nicht okay. (David Auer, 15.10.2019)