An den SPD-Parteivorstand, 10453 Berlin – diese Adresse wird auf den Kuverts stehen, die man dieser Tage im Willy-Brandt-Haus massenweise erwartet. Natürlich können die Genossinnen und Genossen auch online abstimmen – Hauptsache, sie äußern sich und machen mit.

Wer wird künftig die SPD anführen? Noch herrscht ziemliche Ratlosigkeit
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Gesucht wird schließlich – erstmals auf diese Weise – ein neues Führungsduo, das die SPD aus ihrem Umfragetief führen soll. Andrea Nahles ist ja nach dem katastrophalen Abschneiden der SPD und vielen Querschlägen aus den eigenen Reihen nach der Europawahl im Mai zurückgetreten. Mit 1. November wird sie nun, wie der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel, auch ihr Bundestagsmandat zurücklegen.

Zu diesem Zeitpunkt dürfte die neue SPD-Führung aber noch nicht feststehen. Denn nach der aufwendigen Roadshow durch ganz Deutschland ist eines klar: Es gibt kein Favoritenpaar. Niemand hat sich bei den 23 Regionalkonferenzen zum Darling der Basis, zum Superstar der Sozialdemokraten gemausert.

Acht Paare und ein Einzelbewerber waren am 1. September angetreten, übrig geblieben sind am Ende sechs Duos, der Rest hat aufgegeben. "Auf der Tour ist deutlich geworden: Die Parteibasis wünscht sich mehr Miteinander in der SPD", sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Christina Kampmann und Michael Roth
Foto: Christof STACHE / AFP

Es gibt nur eine SPD-interne Umfrage, und diese sieht den Europastaatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, und die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christina Kampmann mit 23 Prozent vorn. Doch die Umfrage wurde nur unter 400 Genossinnen und Genossen durchgeführt und ist nicht repräsentativ.

Roth und Kampmann sprechen vor allen die Jüngeren in der SPD an, sie traten auch einmal im Partnerlook im europablauen Hoodie auf und versprechen "echten Aufbruch". Ob viele der älteren Mitglieder die Konferenzen im Internet verfolgt haben, vermag die SPD auch nicht einzuschätzen.

In der Umfrage sind zudem die Abstände sehr gering. Auf Platz zwei mit 21 Prozent folgen die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Dieses Duo wird offiziell von den Jusos unterstützt.

Segen und Fluch für Scholz

Dahinter gereiht (mit 20 Prozent) sind die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius. Auf Platz vier (19 Prozent) folgen die Brandenburgerin Klara Geywitz und Finanzminister Olaf Scholz.

Scholz ist der mit Abstand Prominenteste im Rennen, was Segen und Fluch zugleich für ihn sein dürfte. Einerseits profitiert er von seiner Bekanntheit, andererseits sah er sich während der Tour immer wieder mit Kritik konfrontiert, nach dem Motto: Olaf, du bist so lange dabei, du hast uns das Elend doch eingebrockt.

Klara Geywitz und Olaf Scholz
Foto: Christof STACHE / AFP

Die Abstimmung endet am 25. Oktober, einen Tag später wird das Ergebnis verkündet. Im Willy-Brandt-Haus rechnet man nicht damit, dass jemand schon in der ersten Runde die absolute Mehrheit erreicht, sondern damit, dass es danach eine Stichwahl zwischen zwei Paaren gibt.

Junge Union will Urwahl

Von mehr Wahlmöglichkeit ist nun auch in der CDU die Rede. Grundsätzlich hat dort der oder die Parteivorsitzende – aktuell also Annegret Kramp-Karrenbauer – das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Doch am Wochenende sprach sich die Junge Union (JU) für eine Urwahl aus.

Mit dem Antrag befasst sich im November der Parteitag. Geht er durch, hat die ohnehin unter Druck stehende "AKK" ein großes Problem: Dann könnten sich Konkurrenten aus der Deckung wagen und gegen sie antreten.

Kann Annegret Kramp-Karrenbauer Kanzlerin? Friedrich Merz glaubt eher nein.
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Friedrich Merz war auf dem Deutschlandtag der Jungen Union der umjubelte Star. Und er zeigte deutliche Bereitschaft, sich stärker einzubringen: "Wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei." (Birgit Baumann aus Berlin, 16.10.2019)