In einem Rap-Song lässt sich viel verwursten: David Scheid macht Hip-Hop-Kabarett über Instagram, Ibiza, Literaten und Doppelliteraten.

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Das Entsetzen über den Perfektionszwang der Gegenwart führt bei ihm zur Lust an der eigenen Verwahrlosung. Oder anders gesagt: Die Generation Y wird zur Generation Wäh. David Scheid, Rapper, DJ, Internettroll und originellster Jungkabarettist des Landes, kennt den Friseur nur vom Hörensagen und das Fitnesscenter von Werbeslogans wie "Damit du in Echt so aussiehst wie auf deinem Profilbild".

Das Gute an Scheid: Nach dem Motto Bierbank statt Bankdrücken stimmt sein Bühnen-Ich mit dem Instagram-Ich auch ohne Trickserei einwandfrei überein. Jene Fotoplattform, die er eigentlich gar nicht mag, weil sie Menschen beim Essen und Miteinanderreden stört, befüllt er sporadisch unter dem Spottnamen "Influencer Dave". Dort gibt er dann Einblick in dilettantische Rap-Versuche bei den Wiener "U-Stars" oder filmt sich als Influenza-Dave gern auch beim erkältungsbedingten Auswerfen und Burger-Fressen im Gedenken an David Hasselhoff. "Ich bin die Postmoderne, weil ich post so gerne", heißt es da.

Als wohlstandsverwahrloster Taugenichts Dave durfte Scheid außerdem vor einem Jahr für die ORF-Sendung Die Nacht – PopUp ein Satireformat bestreiten. Leider wurde dieses viel zu früh wieder aufgegeben, weil die bald auf dem Kopf stehende Alterspyramide Menschen unter 40 nicht unbedingt in die Hände spielt.

Glücklicherweise dreht der Kabarettist, der "fast wie unser Basti" in Wien und im Weinviertel aufgewachsen ist, nach seinem Debüt Remix auch weiter live die Plattenteller: Entschuldigung, haben Sie auch 1 fetteren Beat heißt das neue Bühnenprogramm.

Yung Hurn, Kurz und Ibiza

Wie immer bei Scheid gibt es Nachhilfeunterricht zur Geschichte des Hip-Hop – vom Partyballaballa aus den 80er-Jahren über nachdenkliche Gangster der Neunziger bis hin zu heimischen Cloudrap-Dudeleien aus jüngster Zeit. Scheid pflegt dabei die gute alte, fast schon verschwundene Kulturtechnik des Scratchens und weiß auch viel Lustiges aus dem Szenejargon zu berichten: "Die Ansage muss kicken, Brrruder!", weil: "Zero Respect vor Leuten, die schlechte Witze machen!".

David Scheid

Scheid verquirlt Udo Jürgens mit Rap-Wiedergänger Jugo Ürdens und landet auch bei Kollege Yung Hurn eine Pointe, wenn er dessen Texte auf die kluge Essenz "Gucci, Gucci/ Prada, Prada/ Automobil, Automobil", herunterbricht. Aus Walther von der Vogelweide macht Dave mit fett in die Gegenwart stampfenden Beats einen "Minnerapper", altvordere "Literaten und Doppelliteraten" wie Helmut Qualtinger interessieren ihn sowieso: Prost, Brrruder!

Beim Thema Politik muss Scheid nicht viel erfinden. Da wird eine real existierende, an Softporno grenzende Biografie über Sebastian Kurz gelesen und dann zu aller Erlösung geschreddert; die Ibiza-Tapes verarbeitet Dave als Rap und Nestroy‘sches Theaterstück. "Das ist Kleinkunst, Biatch!" Und sie ist gut. (Stefan Weiss, 16.10.2019)