Mein Onkel Schorsch, der mehr als sein halbes Leben lang Förster gewesen war, formulierte es so: "Es gibt Jäger, und es gibt Idioten, die sich Jäger nennen." Unter der Jägerschaft ist es ein offenes Geheimnis, dass auf zwei umsichtige Wild- und Naturheger ein intellektuell verblüffend simpel gestrickter Trophäenjäger kommt. Oder gar einer, dem das Abknallen von Tieren einen Kick verschafft.

"Der Anteil der Verhaltensauffälligen ist signifikant", resümiert trocken einer, der von Berufs wegen den Überblick hat. Und eine Zunftkollegin, Sylvia Scherhaufer, Geschäftsführerin des niederösterreichischen Jagdverbands, versichert mit überaus glaubwürdigem Gesichtsausdruck: "Am meisten ärgern uns solche Leute in den eigenen Reihen." Schließlich gehe es neben dem Wohl des Wildes auch ums Image der Jagd.

Foto: Lukas Friesenbichler; Set-Design: Magda Rawicka

Nun könnten Jagdgegner einwerfen, dass es einem Hasen gleich sei, ob er von einem verantwortungsbewussten Jäger oder einem Waldrowdy erschossen werde. "Ja", kommt dann als Gegenargument, aber für Lust-und-Laune-Jäger sei nur das Geweih von Interesse und das Abfeuern von Munition.

Achtsamen Jägerinnen und Jägern hingegen, deren Horizont über Kimme und Korn hinausreiche, sei das gesamte Ökosystem Wald ein Anliegen. Sie würden Tiere nicht am Futterplatz erschießen, respektierten ihre Ruhephasen, gingen nicht mit Nachtsichtgeräten auf Beutezug, ballerten nicht vom Autofenster aus, sondern sorgten in strengen Wintern für die Fütterung des Wilds, kümmerten sich um aufgefundene verletzte Tiere, verhinderten den Mähtod von Rehkitzen.

Regulativ im Wald

Ob Jäger den Abzug drücken oder nur ruhige Momente der Begegnung genießen, wenn sie ein Tier sehen, hängt zuvorderst nicht von ihrer Tageslaune ab, sondern vom behördlichen Abschussplan. Und der orientiert sich an der Schnittmenge aus Waldschutz und dem Wunsch nach einer ausgewogenen Wildpopulation.

Hätten wir Menschen aus Angst vor ihnen nicht Bären und Wölfe gegen null dezimiert, wären nun sie die natürlichen Feinde von Hirschen, Rehen, Gämsen. So aber stehen wir, die Krone der Schöpfung, an der Spitze der Nahrungskette.

"Die Jagd ist teils grauslich", sagt entwaffnend offen der Adelige Peter Kinsky, der 3.000 Hektar Wald besitzt. "Es ist schrecklich anzusehen, wenn ein Tier nicht mit einem sicheren, sofort tödlichen Schuss getroffen wird."

Und wieso dann nicht aus Tierschutz auf die Jagd verzichten? Peter Kinsky zuckt mit den Schultern. "Ja, dann wäre es halt nicht mehr möglich, einen Jungwald hochzubringen, das Wild würde alles zusammenfressen."

Unzweifelhaft ist der Wald, besonders in Österreichs niedrig gelegenen Regionen, in ernsthafter Gefahr. Nicky Szápáry, Forstwirt und Jäger im nördlichen Waldviertel, atmet aufgebracht aus.

"Wir Menschen", sagt er, "haben die Natur jahrzehntelang vergewaltigt und wundern uns nun über den Klimawandel. Der Wald steht unter Dauerstress, der Borkenkäfer radiert ganze Landstriche aus. Verzichteten wir jetzt auf die Jagd, wäre ein vielfältiger, vitaler Wald, der CO2 bindet und das Mikroklima in der Waage hält, unmöglich."

Jagdchefin Sylvia Scherhaufer: "Dass Vegetarier jegliches Töten von Tieren ablehnen, verstehe ich natürlich. Aber wenn man sich entscheidet, Fleisch zu essen, ist Wild auch bezüglich der Lebensqualität der Tiere unerreicht."

Foto: Lukas Friesenbichler; Set-Design: Magda Rawicka

Aufs Erste betrachtet scheint die Menge jährlich erlegten Wilds in Österreich enorm: etwa 270.000 Rehe, 110.000 Hasen, 75.000 Fasane, 62.000 Wildenten, 50.000 Hirsche, 30.000 Wildschweine, 25.000 Gämsen und 3.000 Rebhühner.

Wie irrwitzig viel Fleisch hierzulande allerdings in Summe gegessen wird – und zwar aus Massentierhaltung -, ist daran zu ermessen, dass der Anteil des jährlichen Wildbretkonsums pro Einwohner nur 0,7 Kilogramm ausmacht. Jener von herkömmlichem Fleisch aber 63,4 Kilo.

Bespaßung für Reiche

Angesagter als Wild auf dem Teller ist anscheinend die Jagd darauf. Sie gilt neuerdings als Ereignis, als analoger, ja archaischer Ausgleich zum hektischen Stadtleben. Früher, erzählt Netty Kinsky, die Schwester Peter Kinskys, hätten fast ausschließlich ortskundige Einheimische die Jagd ausgeübt, heute seien es zunehmend Primarärzte, Manager und Industrielle.

In Österreich mag die Jagd eine Dreiviertelmilliarde Euro zur Wirtschaftsleistung beisteuern, ungleich höher ist gewiss die Vertragssumme jener Geschäfte, die im Waldesgrün ausgeschnapst wird. Ein Schelm, der sich an dieser Stelle jenes alten Bonmots besinnt, dem zufolge die Jagd die vornehmste Art der Bestechung sei.

Geballt tritt die Halali-High-Society bei Riegel- und Gatterjagden auf, wo den Jagdgästen das flüchtende Wild vor die Flinte getrieben wird. Peter Kinsky hat eine relativ klare Meinung dazu: "Das ist krank." Nebenbei bemerkt sei es weder jagdtechnisch noch aus forstwirtschaftlichen Gründen nötig. "So etwas", legt er nach, "dient nur der absurden Bespaßung."

Die Einzeljagd respektvoller Jäger und hochwertiges Wildbret, das mit Achtung gegessen werde, machten Sinn, meint Netty Kinsky. Alles andere grenze ans Burleske. Mitunter nähmen sich Sonntagsjäger auch irrtümlich selbst aufs Korn. Einem sei das Gewehr im Auto losgegangen. Die Patrone pfiff durchs Autodach. Augenzeugen zufolge wurde dabei keine Wildente erlegt. Kurzum: Nur ein Dachschaden. Tiere kamen nicht zu Schaden. (Thomas Sautner, RONDO, 18.10.2019)