Mit dem Pixel 4 und Pixel 4 XL hat Google am Dienstag seine neue Smartphone-Generation präsentiert. Die Überraschung hielt sich in engen Grenzen, waren doch praktisch alle Details bereits im Vorfeld durchgesickert. Die offizielle Enthüllung hat aber einen anderen Vorteil: Geht damit doch für Pressevertreter die Möglichkeit einher, das neue Gerät selbst auszuprobieren. Genau das hat DER STANDARD denn auch gleich getan, woraus die folgenden Eindrücke resultieren.

Disclaimer

Bevor es zu den konkreten Details geht, sei aber noch ein Disclaimer vorangestellt: Der Rahmen einer solchen Veranstaltung ist sowohl zeitlich als auch räumlich stark begrenzt. Das heißt, dass das Folgende wirklich nur als erster Eindruck zu verstehen ist. Aussagen über die Akkulaufzeit lassen sich in so einem Setting aus recht verständlichen Gründen nicht tätigen, auch die Kameraqualität lässt sich nur begrenzten Tests unterziehen. Für all diese Details sei auf den vollständigen Test verwiesen, der zu einem späteren Zeitpunkt folgen wird. Zudem soll sich dieses Hands-on vor allem auf subjektive Eindrücke konzentrieren; wer die Spezifikationen im Detail nachlesen will, kann dies im Artikel zur Produktankündigung tun.

Ein Anfang

Der Ersteindruck beginnt wie üblich mit Äußerlichkeiten, und in dieser Hinsicht fällt beim Pixel 4 zunächst vor allem eine Eigenheit auf: Oberhalb des Bildschirms zeichnet sich das Smartphone durch einen deutlich größeren Rahmen aus, als man es von anderen aktuellen Geräten gewohnt ist. Google kann aber zumindest mit einem guten Grund für diesen Umstand aufwarten, verstecken sich hier doch einige Sensoren, die für neue Funktionen des Smartphones vonnöten sind – doch dazu später mehr. Am unteren Bildschirmrand zeigt sich hingegen eine ganz andere Entwicklung, der Rahmen zum Gehäuse ist erheblich geschrumpft. Im Gegenzug wurde der zweite Frontlautsprecher geopfert. Es gibt zwar weiterhin Stereo-Sound, aber der zweite Speaker findet sich nun neben dem USB-C-Anschluss.

Das Pixel 4 in "Oh So Orange" ist eine limitierte Ausgabe.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Äußerlichkeiten

In Hinblick auf das Design hat Google einige Änderungen vorgenommen. So fällt etwa auf, dass der Rahmen nun eine matte Beschichtung aufweist, was einen deutlich besseren Griff bietet. Die Rückseite ist nun bis auf die Kamera eine durchgängige Glasscheibe, die zweistufige Farbgebung ist verschwunden. Beim schwarzen Modell ist die Rückseite übrigens glänzend, wodurch sie ein ziemlicher Fingerabdruckmagnet ist; die weißen und orangen Versionen sind hingegen matt. Apropos, eine schlechte Nachricht für alle, denen das Orange zusagt: Dies gibt es im deutschsprachigen Raum nur beim kleineren Pixel 4 und nicht beim XL-Modell.

Gesichtserkennung

Was ebenfalls gleich auffällt: An der Rückseite gibt es keinen Fingerprint-Scanner mehr. Dieser ist allerdings nicht unter das Display gewandert, wie bei so vielen anderen Herstellern. Google verzichtet auf diese Komponente nämlich komplett und vertraut stattdessen ganz auf seine neue Gesichtserkennung. Und damit diese auch die nötige Sicherheit liefert, sind dann jede Menge neue Sensoren vonnöten, die den großen Rahmen oberhalb des Bildschirms – größtenteils – erklären. Mit den meist einfach auszutricksenden Lösungen der meisten Android-Hersteller hat dies insofern wenig zu tun, der relevante Vergleich bleibt also Apples Face ID.

Beim Einrichten der Gesichtserkennung ist es förderlich, sich auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Beim Ausprobieren klappte diese tatsächlich sehr gut und vor allem extrem flott. So flott, das man zunächst verwundert schaut, ob das Gerät eventuell zuvor gar nicht gesperrt war. Immerhin landet man so beim Hochnehmen sofort wieder bei der letzten Aktivität am Smartphone – ein Swipe zur Bestätigung ist nicht nötig. Möglich wird dies durch eine clevere Lösung: Google nutzt den neuen Radar – dazu unten mehr – um zu erfassen, wann die Nutzer sich dem Gerät annähern, und aktiviert dann die Gesichtserkennungssensoren. Infolge können diese äußerst flott arbeiten.

Ganz fehlerfrei funktionierte dies im Test allerdings nicht, ein paar Mal musste zunächst der Einschaltknopf gedrückt werden, bevor die Gesichtserkennung aktiviert wurde. Ob dies Ausrutscher waren oder hier ein tieferes Problem steckt, lässt sich auf die Schnelle natürlich nicht sagen. Ebenfalls etwas mühsam war die Einrichtung, bei der man seinen Kopf langsam im Kreis drehen muss. Dafür klappt das Ganze anschließend aber sogar aus einem Meter Abstand noch problemlos.

Bildschirm

Viel Wind hat Google in der Präsentation auch um das Display gemacht, da es von Displaymate Bestnoten erhalten hat. Unter dem Kunstlicht der Veranstaltung ließ sich diese Behauptung nur begrenzt klären. Was aber auffiel, ist, dass die maximale Helligkeit kaum besser als beim Pixel 3 XL ist, hier bieten andere Smartphone höhere Werte. Dafür wirkt die Darstellungsqualität im Vergleich zu einem Pixel 3 deutlich besser. Die Farben sind etwas kräftiger, das Bild ist klarer. Einen sehr guten Eindruck machte zudem die automatische Anpassung des Weißabgleichs, die neu beim Pixel 4 ist – ähnlich zu Apples TrueTone. Der Unterschied zwischen aktiviertem und deaktiviertem "Ambient EQ" – wie das Feature heißt – war auch mit freiem Auge gut zu erkennen.

Über die Bildschirmqualitäten sagt das Foto nur wenig aus, da das Umgebungslicht hier verzerrt. Aber zumindest sieht man, dass der untere Rand im Vergleich zum Pixel 3 deutlich geschrumpft ist.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Flink

Einen sehr guten Eindruck hinterließ das "Smooth Display" – also der neue 90 Hz-Modus. Die Nutzer aktueller OnePlus-Geräte werden das schon kennen: Der Unterschied zu anderen Smartphones ist tatsächlich eklatant. Nicht nur ist das Scrollen weicher, vor allem aber folgt dabei das Geschehen viel näher dem Finger, was ein unmittelbareres Gefühl erzeugt.

Miniradar

Erstmals verbaut Google im Pixel 4 einen Miniradar. Die gebotene Funktionalität ist dabei noch sehr beschränkt, aber zumindest solche Dinge wie der Wechsel zum nächsten Lied mittels Wischgeste klappte im Testlauf erheblich besser – und vor allem zuverlässiger – als erwartet. Von den Luftgesten, die manche Android-Hersteller bisher mithilfe der Frontkamera angeboten haben, ist das jedenfalls meilenweit entfernt.

Angemerkt sei, dass andere Tester darüber klagen, dass bei ihnen die Gestenerkennung sehr unzuverlässig arbeitet. Woraus diese so grundlegend unterschiedlichen Erfahrungen resultieren, lässt sich auf die Schnelle natürlich nicht sagen. In unseren Tests klappten aber die Wischbewegungen, um von einem Lied zum anderen zu wechseln, praktisch zu 100 Prozent. Man muss die Bewegung schon sehr gezielt langsam ausführen, damit sie ignoriert wird – und das ist dann wohl auch durchaus Absicht.

Ein Google-Mitarbeiter versicherte zudem gegenüber dem STANDARD, dass all dies nur der Anfang sei. Man habe zunächst bewusst nur wenige und sehr simple Funktionen integriert, in Zukunft soll der Radar dann für weitere Aufgaben genutzt werden. Immerhin kann er auch sehr feine Bewegungen wahrnehmen. Vor allem aber: Die Funktionen des Radars sollen über neue Programmierschnittstellen künftig auch für App-Entwickler freigegeben werden.

Bei der Präsentation zeigte Google auch eine App, die die Sensorendaten des Soli-Sensors (also des Miniradars) ausliest.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Kamera, eine erste Annäherung

Zur Qualität der Kamera lässt sich in einem solchen Setting nur sehr begrenzt etwas sagen, da durch die Unmengen an Kunstlicht eigentlich keine vernünftigen Aufnahmen möglich sind. Zumindest war aber beim Ausprobieren des Zoom-Modus ein deutlicher Qualitätssprung von Pixel 3 zu Pixel 4 zu erkennen – hier zahlt sich die zusätzliche Telefotokamera also aus. Auch der Porträtmodus produzierte auf den ersten Blick hervorragende Ergebnisse, auch für dessen Verbesserung wird der zweite Sensor zum Einsatz gebracht. Und an sich startet reagierte die Kamera auf alle Eingaben sehr flott.

Noch eine Anmerkung zur Frontkamera: Hier gibt es ja jetzt nur mehr einen Sensor, dessen Blickwinkel rangiert mit 90 Grad aber irgendwo zwischen den beiden Kameras des Vorjahrs (75 und 97 Grad), das "Group Selfie" bleibt also zumindest für kleine Gruppen erhalten.

Ansonsten präsentierte sich das Pixel 4 wie zu erwarten sehr flott, die Mischung aus Snapdragon 855 und der gut abgestimmten Android-Variante von Google liefert hier also das Erwartete. Umgehend für negative Schlagzeilen sorgte hingegen eine andere Neuerung, und zwar durchaus zu Recht: Die kostenlose Back-up-Funktion für Fotos in Originalqualität bei Google Photos – wie sie bisherige Pixel-Generationen liefern – gibt es nicht mehr. Kostenlos werden die Bilder nur mehr in "hoher" Qualität gespeichert, was heißt, dass sie von Google auf geringere Größe optimiert werden. Originalaufnahmen werden hingegen dann als Datenverbrauch im Google Drive bzw. bei Google One gerechnet.

Von der Seite betrachtet zeigt sich das herausstehende Kameramodul.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Pixel 4 und 4 XL können ab sofort vorbestellt werden – leider sind sie aber wieder nicht direkt in Österreich erhältlich. Wer das Gerät haben will, muss es also aus einem anderen Land importieren – etwa aus Deutschland. Zumindest gibt es aber eine erfreuliche Nachricht. Mit einem Preis ab 749 Euro ist das kleinere Modell nämlich gleich um 100 Euro billiger als sein Vorgänger beim Marktstart. Beim größeren beträgt die Preissenkung noch immer 50 Euro – jetzt sind es also 899 Euro. Wer bis zum 26.10. vorbestellt, bekommt zudem einen Google Nest Hub kostenlos dazu, dieser kostet sonst 129 Euro.

Die drei Farbvarianten des Pixel 4.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Eines muss man Google lassen: Zumindest probiert das Unternehmen Neues aus. Die Integration des Radars ist eine vielversprechend Idee, deren realer Wert sich freilich erst beweisen muss. Und auch dass man so ganz auf Gesichtserkennung setzt, ist eine starke Ansage. Ansonsten gefällt das 90-Hz-Display sofort, die Kamera sieht ebenfalls sehr vielversprechend aus. Der erste Eindruck ist also ein äußerst positiver, zudem freut der reduzierte Preis – auch wenn das Gerät natürlich noch immer sehr teuer ist. Der größte Sorgenpunkt bleibt der relativ schwache Akku des kleineren Modells. Ob dieser sich wirklich als Problem erweist, lässt sich aber natürlich erst in einem ausführlichen Test klären. Dieser wird zu einem späteren Zeitpunkt folgen. (Andreas Proschofsky, 16.10.2019)