Bald darf nur mehr vor den Lokalen geraucht werden.

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Wien/Graz – Eine schier unendliche Geschichte wird am 1. November mit dem Inkrafttreten des absoluten Rauchverbots in der Gastronomie zu Ende gehen. Ursprünglich von der rot-schwarzen Koalition beschlossen, wurde es von der türkis-blauen Regierung wieder gekippt, um nach Volksbegehren und Ibiza-Affäre vom Parlament im Spiel der freien Kräfte gegen die FPÖ-Stimmen erneut beschlossen zu werden.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte am Mittwoch die Behandlung eines Antrags der sogenannten Nachtgastronomie in Sachen Rauchverbot ab. Der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sei nicht überschritten worden, die angefochtene Regelung greife auch nicht unverhältnismäßig in die rechtlich geschützten Interessen jener Gewerbetreibenden ein, deren Gastronomiebetriebe so gut wie ausschließlich nachts aufgesucht werden, entschieden die Verfassungsrichter. Dem Gesetzgeber stehe es auch frei, als Folge des Rauchverbots in solchen Lokalen allfällige Beeinträchtigungen von Nachbarn in Kauf zu nehmen.

Die Gastronomen wandten sich an den VfGH, weil sie Schwierigkeiten mit lärm- und geruchsempfindlichen Anrainern befürchten, falls ihre Gäste nachts vor die Lokale strömen, um dort ihre Zigaretten zu rauchen. Auch die Vereinigung der Shisha-Bar-Betreiber Österreich (VSBÖ), deren Existenz bedroht ist, forderten mit dem Argument, dass niemand zu einem anderen Zweck zu ihnen kommt als dem, eine Wasserpfeife zu rauchen, eine Ausnahme von dem Rauchverbot.

Freude bei Sima, Kritik von Freiheitlicher Wirtschaft

Experten wie der Grazer Sozialmediziner Florian Stigler pochen auf ein Gastro-Rauchverbot ohne Ausnahmen. Ausnahmen für Nachtlokale würden wieder zu dem altbekannten Problem führen, dass Gäste und Mitarbeiter durch Passivrauch geschädigt werden. Bei Ausnahmen für Shishas gäbe es noch zusätzliche Schwierigkeiten. Diese werden im mediterranen Bereich überwiegend im Außenbereich konsumiert, da sie auch lungengängigen Feinstaub und Kohlenmonoxid erzeugen, was oft zu Vergiftungen führe. Shishas, unter Gruppenzwang konsumiert, seien zudem für viele Jugendliche der Einstieg in die Nikotinsucht.

DER STANDARD hatte sich im Juli bei Shisha-Betreibern und Gästen zum Rauchverbot umgehört
DER STANDARD

Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) begrüßte den Entscheid des Verfassungsgerichts und kündigte gleichzeitig strenge Kontrollen des Marktamts und der Gruppe Sofortmaßnahmen an. Sima hofft, dass durch das Rauchverbot die Quote der Raucher sinkt.

Die Freiheitliche Wirtschaft ist nicht sehr glücklich über das Verbot an sich. Für sie bedeutet es "Eingriffe in die Wahlfreiheit und Existenzgrundlagen von Unternehmen". Sie verweist auf Ausnahmeregelungen in öffentlichen Einrichtungen wie Spitälern, Universitäten und Schulen. Dort dürfen weiter Raucherräume existieren.

Rauchen: 2,4 Milliarden Euro volkswirtschaftlicher Schaden

Ein Team des Instituts für Höhere Studien (IHS) hat 2018 den volkswirtschaftlichen Schaden durch das Rauchen auf rund 2,4 Milliarden Euro jährlich (IHS 2018) berechnet. Bedeutend erscheint auch eine Modellrechnung steirischer Experten bezüglich der Auswirkungen auf die Gesundheit der Österreicher. Das Gastro-Rauchverbot würde schon innerhalb einer Woche 623 Spitalsaufenthalte weniger bedeuten.

Die Fachleute hatten die Erfahrungen anderer Staaten auf Österreich umgelegt. "Internationale Studien zeigten, dass eine rauchfreie Gastronomie Herzinfarkte um durchschnittlich 15 Prozent, Schlaganfälle um 16 Prozent und Lungenentzündungen um 24 Prozent reduzierte", sagte Stigler.

Tausende Spitalsaufenthalte

Pro Jahr seien es bei Erwachsenen 7.777 stationäre Aufnahmen durch Lungenentzündungen sowie 5.707 infolge ischämischer Herzerkrankungen (weiters 3.924 wegen Angina pectoris und 2.701 nach Herzinfarkten), die nun vermieden werden könnten. Dazu kämen noch 4.285 Spitalsaufnahmen nach Schlaganfällen, 5.625 wegen chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), 506 aufgrund von Asthma und 48 wegen eines Spontan-Pneumothorax. Insgesamt kommen die Experten pro Jahr bei Erwachsenen auf 30.573 vermeidbare Spitalsaufenthalte. Sie haben weiters hochgerechnet, dass ein Rauchbann in der Gastronomie pro Jahr in Österreich rund 1.500 Spitalsaufenthalte in der Altersgruppe bis 14 Jahren verhindern würde.

Die Erfahrung wird zeigen, ob das von der FPÖ und der Gastronomie befürchtete Wirtshaussterben tatsächlich eintreten wird. Zu den sicheren Verlierern werden die Trafikanten zählen: "Jede Zigarette, die nicht geraucht wird, wird uns Umsatz kosten", sagte deren Obmann Josef Prirschl. Seiner Schätzung nach wird der Umsatz um drei bis fünf Prozent schrumpfen. "Wie oft gehen die Menschen wirklich vors Lokal, um zu rauchen? Dadurch wird sicher weniger geraucht." Viele Trafiken seien am Limit, ein Drittel in ihrer Existenz gefährdet. (APA, 16.10.2019)