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Die Farallon-Inseln könnten ein Paradies für Seevögel sein. Statt einer Schlange hat sich dort aber die Maus eingeschlichen.
Foto: AP Photo/Eric Risberg

Einmal mehr sind auf einer Inselgruppe eingeschleppte Mäuse zur existenziellen Bedrohung für die dort brütenden Seevögel geworden. Der Fall, von dem die Umweltschutzorganisation Point Blue Conservation Science berichtet, ist aber etwas anders gelagert als der auf dem südatlantischen Gough Island. Dort hatten die Mäuse den "Trick" gelernt, sich über die wehrlose Albatrosbrut herzumachen und die vergleichsweise riesigen Küken bei lebendigem Leib aufzufressen: ein ökologischer Albtraum, der vor ein paar Jahren weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Auf den Farallon-Inseln vor der Küste Kaliforniens sieht die Situation etwas komplexer aus. Die vulkanische Inselgruppe bietet verschiedenen Seevogelarten Platz zum Brüten – unter anderem auch dem seltenen Einfarb-Wellenläufer (Oceanodroma homochroa), einer rußig braun gefärbten kleinen Sturmschwalbe. Zugleich liegen die Inseln auf dem Weg des Kaninchenkauzes (Athene cunicularia), wenn dieser im Herbst aus Kanada und dem nördlichen Teil der USA ins warme Mexiko übersiedelt.

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Einfarb-Wellenläufer gehören zu den kleineren Vertretern der Sturmschwalbenfamilie.
Foto: Eric Risberg/AP/dapd

Diese beiden Vogelarten hatten bislang nicht viel miteinander zu tun. Dann jedoch wurden Mäuse auf den Farallon-Inseln eingeschleppt und haben sich in Abwesenheit landlebender Raubtiere explosiv vermehrt. Plötzlich tat sich den wandernden Eulen mitten im Ozean ein Buffet auf, das zum Verweilen einlud. Immer mehr Eulen nutzten die Inseln in der Folge wie eine Autobahnraststätte.

Anschluss verpasst

Das wäre immer noch kein Problem, würde ein Teil der Eulen nicht den Zeitpunkt verpassen, die Inseln vor dem Kälteeinbruch wieder zu verlassen. Und im Winter ändern sich die Verhältnisse drastisch: Unter den Mäusen, die in der warmen Jahreszeit ausreichend Nahrung vorfinden, kommt es nun alljährlich zu einem Massensterben – und die Eulen stehen plötzlich ohne ihre Lieblingsnahrung da.

Eigentlich sind sie auf Kleinsäugetiere und Insekten spezialisiert. Da sie aber nun auf den Inseln festsitzen, müssen sie sich nach anderer Nahrung umschauen. Leidtragende sind die kleinen Wellenläufer – und fatalerweise just dann, wenn sie das Brutgeschäft aufnehmen.

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Der Kaninchenkauz kommt in weiten Teilen Nord- und Südamerikas vor. Zumeist ist er standorttreu – diejenigen, die am weitesten im Norden leben, werden aber zu Zugvögeln.
Foto: AP Photo/J Pat Carter

Es sind gar nicht viele Eulen, die den Winter über auf den Inseln bleiben. Aber selbst eine kleine Zahl reicht aus, um großen Schaden anzurichten, rechnet die Organisation Point Blue vor, die die Inseln seit über 45 Jahren überwacht. Laut der jüngsten Erhebung eines Forscherteams um Nadav Nur gehen 40 Prozent der jährlichen Todesfälle unter den Vögeln auf die Bejagung durch Eulen zurück. Die Population der Einfarb-Wellenläufer schien sich in jüngerer Vergangenheit endlich wieder von früheren Einbrüchen erholt zu haben, da setzt ihnen schon die nächste Krise zu.

Laut Nur hilft nur eines: die Mäuse ausrotten. Dann werden die Inseln von den vorbeiziehenden Eulen wieder ignoriert und die Wellenläufer können ungestört brüten. Ewig Zeit lassen dürfe man sich mit Maßnahmen nicht mehr: Von den maximal noch etwa 10.000 existierenden Einfarb-Wellenläufern brütet die Hälfte auf den Farallon-Inseln, die Spezies gilt bereits als bedroht. (jdo, 19. 10. 2019)