Erstmals verhandeln am Donnerstag ÖVP und SPÖ über eine etwaige gemeinsame Regierung.

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Die rote Aufstellung wurde quasi in letzter Minute mit einem mächtigen Mann komplettiert: Am Mittwoch nominierte die SPÖ Wiens Bürgermeister Michael Ludwig für die Sondierungsgespräche mit der ÖVP nach, in denen die Chancen für eine Koalition erörtert werden.

Doch schon im Vorfeld taten sich erste Dissonanzen auf: Nachdem Türkis zu Wochenbeginn kundgetan hatte, dass man vor allem über "den politischen Stil" nach den stürmischen Wahlkampfzeiten reden wolle und es da vor allem mit Rot "einige Baustellen" gebe, stellte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in Richtung ÖVP klar: "Ich erwarte mir für morgen, dass Befindlichkeiten außen vorgelassen werden und professionell über Themen gesprochen wird." Eine Aufarbeitung des Wahlkampfs beinhalte das nicht.

Positionen statt Befindlichkeiten

Vielmehr wollen die Genossen, dass schon in der ersten Sondierungsrunde Positionen "auf den Tisch gelegt" werden, um keine Zeit zu verlieren, denn: "Es geht um ein soziales, wirtschaftlich starkes und zukunftsorientiertes Österreich" – dazu gehörten die Stärkung der Sozialpartnerschaft, die Gestaltung einer fairen Arbeitswelt und ein Konjunkturpaket. Zumindest Letzteres will die ÖVP von Sebastian Kurz auch.

Ob das sechsköpfige Team mit seinen anderen Anliegen Gehör findet? DER STANDARD hat für die roten Player Profile erstellt, wie ihre Chancen stehen.


PAMELA RENDI-WAGNER

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Karriere: Für Rendi-Wagner ist die Politik ihre zweite Karriere. Die habilitierte Ärztin war Sektionschefin im Gesundheitsministerium, als Ressortchefin Sabine Oberhauser verstarb. Ex-SPÖ-Chef Christian Kern machte die 48-Jährige zur Ministerin. Im Vorjahr übernahm sie nach dem turbulenten Rückzug von Kern den Parteivorsitz. Seither muss sie sich mit internen Querschüssen herumschlagen.

Stärke: Kämpft für gleiche Chancen für alle – und zwar von der Wiege bis zur Bahre.

Schwäche: Ist wohl auch für viele in der SPÖ zu jung, zu schön, zu intelligent.


MICHAEL LUDWIG

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Karriere: In einem Floridsdorfer Gemeindebau aufgewachsen, arbeitete sich Ludwig später als Wiener Wohnbaustadtrat zum Herrn über die rechtslastigen Flächenbezirke empor. Seit Mai 2018 ist der 58-jährige Historiker Bürgermeister – und löste damit den Bobo-Bezirke-affinen Michael Häupl ab.

Stärke: Koaliert mit den Grünen, könnte nach der Wien-Wahl 2020 aber auch mit der ÖVP.

Schwäche: Mansplainte Rendi-Wagner mehrmals – und blamierte sich damit selbst. Etwa mit dem Spruch: "Sie ist sehr sympathisch, telegen und kompetent, jetzt muss sie auch auf die Leute zugehen!"


JÖRG LEICHTFRIED

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Karriere: Als EU-Parlamentarier und Verkehrsminister agierte Leichtfried unauffällig, als Vizeklubchef in Opposition schärfte der Steirer aber zunehmend sein Profil.

Stärke: Im Parlament fiel der 52-jährige Rechtswissenschafter oft mit seinem Redetalent auf, vor allem zu behebende Missstände bringt er oft gut auf den Punkt.

Schwäche: Brachte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit seinem Befund "Die, die reich sind, richten es sich mit bestechlichen Parteien!" zum Austicken. Derartige Ansichten hört man auch am türkisen Sondierungstisch gar nicht gern.


DORIS BURES

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Karriere: Die gelernte Zahnarztassistentin aus Wien-Liesing machte in der SPÖ steile Karriere – und bekleidete schon viele Ämter: Bures war rote Bundesgeschäftsführerin, Frauenministerin, Verkehrsministerin, zuerst Erste, dann Zweite Nationalratspräsidentin.

Stärke: Menschenkenntnis. Sagte voraus, dass Ex-SPÖ-Chef Christian Kern zwar "ein hervorragender ÖBB-Manager", aber Politik "nicht seine Stärke" sei.

Schwäche: Die 57-Jährige gilt in der ÖVP als lebendes Mahnmal für die jahrelangen Streitereien zu Zeiten von Rot-Schwarz – und daher für die Türkisen nun als rotes Tuch.


PETER KAISER

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Karriere: Kaiser kam über die Jung-Sozis zur SPÖ, Ende der 1980er wurde er Gemeinderat in Klagenfurt, später Landtagsabgeordneter, dann Landesrat. Nach dem Hypo-Debakel von FPÖ/BZÖ gelang es dem 60-Jährigen, die rote Mehrheit zurückzuerobern. Die baute er 2018 mit einem Zugewinn von zehn Prozentpunkten aus.

Stärke: Wirkt unscheinbar, ist jedoch stärkster roter Landeskaiser.

Schwäche: Weil Sohn Luca von Österreich als "Nazion" twitterte, wurde er von der Parteispitze auf einen aussichtslosen Listenplatz bei der EU-Wahl gereiht. Der Vater intervenierte prompt in Wien – aber erfolglos.


RAINER WIMMER

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Karriere: Wimmers Name wird vor allem mit der jährlichen Herbstlohnrunde in Verbindung gebracht. Von dort bringt der Hallstätter seine Verhandlungserfahrungen mit. Seit 2009 ist der 64-Jährige Chef der Produktionsgewerkschaft, seit dem Vorjahr auch Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschafter. Der gelernte Elektriker wettert vor allem gegen den türkis-blauen Beschluss des Zwölfstundentags.

Stärke: Geübt im nächtelangen Feilschen.

Schwäche: Als Gewerkschafter steht Wimmer nicht für Kurz' neuen Stil.

(Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 17.10.2019)