Freihandelsabkommen wie TTIP oder Ceta sorgten immer wieder für Proteste – wie hier am Wiener Josefplatz im Juni 2018.

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Wien – Die Angst vor einer Paralleljustiz geht um. Denn aktuell diskutiert die internationale Gemeinschaft in der UN-Handelsrechtskommission UNCITRAL in Wien über die Zukunft des Investorenschutzes. Die Debatte wurde von der EU-Kommission angestoßen, nachdem das etablierte System von Schiedsgerichten rund um TTIP zunehmend öffentlich infrage gestellt worden war.

Globalisierungskritische Gruppen argwöhnen jedoch, dass Brüssel bestehende Klagerechte für Konzerne gegen Staaten auf internationaler Ebene festzurren will, statt echte Reformen anzustoßen: "Konzerne können damit weiterhin Staaten vor Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzsummen verklagen, wenn sie ihre Profite durch neue oder geplante Gesetze gefährdet sehen", sagt Alexandra Strickner von Attac Österreich.

Die Kommission sieht das naturgemäß anders. Ziel sei laut Brüssel, international ein reformiertes Schiedsverfahren einzuführen, wie es die EU im Handelsvertrag mit Kanada (Ceta) anlässlich der lautstarken Kritik am Status quo bereits umgesetzt hat. Erstmals wird mit Ceta ein fester Gerichtshof mit Berufungsinstanz installiert. Die Verfahren sollen viel transparenter als früher ablaufen. Die staatlich ausgewählten Richter sollen außerdem nicht mehr Interessenkonflikten unterliegen, wie sie privaten Anwälten, die bisher in der Regel als Schiedsrichter fungierten, nachgesagt wurden. Auch die abschreckend hohen Verfahrenskosten sollen laut EU gesenkt werden, um kleinen Unternehmen die Chance zu geben, auf ihr Recht zu pochen.

Noch ein weiter Weg

Bis dahin war es ein weiter Weg: Investorenschutz wird in Verträgen zwischen zwei oder mehr Staaten geregelt. Österreich etwa hat mit rund 60 Ländern entsprechende Vereinbarungen. Mittlerweile etabliert die EU in umfassenden Freihandelsverträgen wie mit Kanada (Ceta) die Rahmenbedingungen, wie Konzerne gegen Staaten ihr Recht durchsetzen können. Die Grundidee ist simpel: Wenn ein ausländisches Unternehmen von einem Staat ungerecht behandelt wird, könnte es Anspruch auf Schadenersatz einklagen. Mit dieser Gewissheit trauen sich Firmen eher, in einem Markt zu investieren. Aktuelles Beispiel: Der deutsche Energiekonzern Uniper hat 2016 ein Kohlekraftwerk in den Niederlanden errichtet. Nun plant Den Haag den Ausstieg aus Kohlestrom. Uniper ist mit vorhandenen Angeboten der Regierung nicht zufrieden und erwägt dahe,r eine adäquate Entschädigung einzuklagen.

Damit ein Unternehmen nicht gegen einen Staat vor dessen eigenes Gericht ziehen muss, wurden internationale Schiedsverfahren eingeführt, die Dispute zwischen Investor und Staat klären. Über 900 solcher Verfahren wurden laut Uno bisher initiiert. In rund einem Viertel der abgeschlossenen Fälle erhielten die klagenden Konzerne recht, in den übrigen gewannen die Staaten oder man fand einvernehmliche Lösungen.

Bis kommenden Samstag arbeitet die Reformgruppe bei UNCITRAL in Wien. Beobachter erwarten sich von der laufenden Etappe wenig Fortschritt. Zwar stehen Kanada, Mexiko, Vietnam und Singapur hinter dem Projekt der EU. Aber wichtige Akteure wie die USA, China und Japan zeigen wenig Enthusiasmus. (slp, 17.10.2019)