Die Tweets von Donald Trump sind mittlerweile legendär. Mit seinen Aussagen schafft es der US-Präsident aber auch, für ein Auf und Ab an den Börsen zu sorgen.

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Eigentlich hieß es bisher immer: Politische Börsen haben kurze Beine. Gemeint war damit, dass die tagesaktuelle Politik an den Börsen nicht so viel mitgemischt hat. Und wenn, dann nur kurzfristig. Werden an den Börsen doch die Aktien von Unternehmen gehandelt und damit auch deren Wertentwicklung, Ziele und Chancen.

Doch das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. "Die Finanzmärkte sind politischer als früher", sagt Felix Herrmann, Finanzmarktstratege bei Black Rock für Deutschland, Österreich und Osteuropa. Allen voran die Tweets und die Politik von US-Präsident Donald Trump, das Chaos um den Brexit und die massive Lockerung der Geldpolitik durch mehrere Notenbanken hätten dafür gesorgt, dass politische Agenden am Finanzmarkt stärker mitmischen als früher. Das wirkt sich durch stärkere Schwankungen aus. Die Information über ein Entgegenkommen von Trump im Handelsstreit mit China oder eine neue Zolldrohung – und schon zieht es einzelne Märkte oder Branchen rauf bzw. runter.

Machtverhältnisse verschieben sich

Die aktuellen politischen Themen seien oftmals auch Langfristagenden, auch das ist für Herrmann ein Grund, dass sie sich intensiver an der Börse widerspiegeln, als das früher der Fall gewesen sei. Denn mit dem Handelsstreit gehe es ja nicht nur um Liefer- oder Zollabkommen zwischen den USA und China – es gehe um die Technologieführerschaft und um die Verschiebung globaler Macht Richtung Reich der Mitte.

Für Anleger sei es aber wichtig zu verstehen, dass die Entwicklung der Unternehmensgewinne der langfristige Treiber an den Börsen ist. Ein langfristiges Denken von Investoren bringe diese auch durch kurzfristige Phasen der Schwäche oder Unruhe. Anleger dürften sich von der Nachrichtenlage nicht aus der Fassung bringen lassen.

Für die Schwankungen an den Börsen gab es zuletzt aber auch andere Gründe. Die Angst vor einer Rezession und eine gestiegene Inflationserwartung haben im Vorjahr zusätzlich für Unruhe gesorgt. Hinzu kommen die Politik der Notenbanken und die Erwartungshaltung in Bezug auf deren nächsten Schritt. Je nachdem, wie schwer die nächste Rezession ausfallen wird, "wird man auch darüber reden müssen, wie stark die Abstimmung zwischen Geld- und Fiskalpolitik künftig sein wird. Vor allem für die Planung der Staatsbudgets wäre es ein Vorteil zu wissen, wohin die Geldpolitik langfristig tendiert.

Industrie schwächelt

Von einer globalen Rezession geht der Black-Rock-Experte aktuell aber nicht aus. Derzeit schwächle vielerorts die Industrie, der Dienstleistungssektor sei hingegen noch robust. Die Frage werde laut Herrmann sein, ob der Dienstleistungssektor so lange stabil durchhalten werde, bis die Industrie wieder zurückkomme. Denn die Industrie sei der Taktgeber für die Entwicklung der Wirtschaft. Aufgrund der Streitereien um Handel und Zölle seien aktuell jene Länder stärker von einem Rückgang betroffen, die einen hohen Industrieanteil haben und einen starken Export. Also etwa Deutschland.

In Summe könne man laut Herrmann die Faktoren, die Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen, einteilen in die "bekannten Unbekannten" – also etwa Brexit und Handelskrieg. Das sind Themen, die schon länger exponiert sind, aber doch immer wieder für Überraschungen sorgen. Dann gebe es die "unbekannten Unbekannten". Dazu gehörte zuletzt etwa der Anschlag auf eine saudi-arabische Ölproduktion, die zu kurzfristigen Verwerfungen am Ölmarkt geführt hat.

Positive Überraschungen

Vergessen dürfe man in diesem Zusammenhang jedoch nicht, dass es auch positive Überraschungen geben kann, weil die allgemeine Erwartungshaltung bereits sehr negativ geworden sei. Abgelesen werden kann das an den Surprise-Indizes, die messen, ob neu veröffentlichte volkswirtschaftliche Daten vermehrt unter oder über den Erwartungen von Analysten liegen. Zuletzt hätten laut Herrmann viele Analysten ein negatives Bild gehabt, und veröffentlichte Daten – etwa für den US-Markt – lagen damit wieder oberhalb der Erwartungen. Das sorgt für eine gute Stimmung an den Börsen. Für den Black-Rock-Experten ist das auch deshalb ein gutes Zeichen, weil derartige Indizes als recht verlässliche Vorlaufindikatoren für die tatsächliche Entwicklung von wichtigen Konjunkturdaten gelten.

Doch es sind immer mehr auch die Notenbanken, die durch ihre Geldpolitik das Spiel an der Börse mitgestalten. Die Nullzinspolitik in Europa ist fürs Erste einzementiert. Zumindest in den kommenden zehn Jahren ist laut Herrmann davon auszugehen, dass die Zinsen im Euroraum niedrig bleiben werden. Wie sich die EZB weiterhin verhalten wird, werde von Analysten mit Spannung erwartet. Denn mit seinen Möglichkeiten ist das Institut langsam am Ende. (Bettina Pfluger, 23.10.2019)