Ingenieure aus Vietnam kommen eher selten nach Österreich. Der Bedarf wäre aber gegeben.

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Wien – Wer heute den Fachkräftemangel beklagt, dürfte in Zukunft daran verzweifeln. Im Vorjahr suchten heimische Unternehmen rund 160.000 Fachleute. Doch der Pool droht weiter auszutrocknen, wie eine Studie des International Center for Migration Policy Development (ICMPD) im Auftrag der Industriellenvereinigung (IV) warnt. Denn bis 2050 soll die Zahl der Erwerbspersonen in Österreich trotz Einwanderung schrumpfen.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Arbeitnehmer. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der offenen Stellen für Akademiker und Topfachkräfte mehr als verdoppelt. Das Fazit der Autoren ist klar: Neben zusätzlicher Aus- und Weiterbildung führt kein Weg an qualifizierter Zuwanderung vorbei.

Vor allem im Mint-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) gebe es einen "unglaublichen Nachholbedarf", sagt ICMPD-Leiter und Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger. Hier sei eine "durchdachte und proaktive Steuerung" der Zuwanderung notwendig.

Imagepolitur für Österreich

Bisher sei Österreich bei der Anwerbung von Fachkräften im Ausland "nach dem Zufallsprinzip" vorgegangen, kritisiert IV-Präsident Georg Kapsch. "Wir brauchen eine Balance zwischen der Integrationsfähigkeit der Bevölkerung und den Bedürfnissen der Wirtschaft." Man müsse den Menschen die Ängste nehmen und ihnen den Mehrwert qualifizierter Zuwanderung erklären, weil diese nämlich den Wohlstand sichern könne.

Gleichzeitig müsse sich Österreich besser vermarkten und "sympathischer" auftreten als in der Vergangenheit, sagt Kapsch, ohne darauf einzugehen, wen er für den Imageschaden verantwortlich macht.

Konkret wünscht sich die IV von der nächsten Regierung etwa, Asylwerbern legal zu ermöglichen, eine Lehre abzuschließen. Es sei unsinnig, Menschen hier auszubilden und dann hinauszuwerfen. Das sei abgesehen von der menschlichen Komponente auch eine wirtschaftlich dumme Vorgangsweise, weil man dann von dem in die Ausbildung investierten Geld nichts mehr habe, sagt Kapsch.

Fachkräfte im Ausland ausbilden

Neben einigen Dauerbrennern wie einem Staatssekretariat für Zuwanderung oder Entbürokratisierung bei der Rot-Weiß-Rot-Card wartet die IV mit einer neuen Idee auf: Österreich soll "mit einer überschaubaren Zahl" an Partnerländern in Asien und Afrika Abkommen schließen, um Fachkräfte auszubilden und ihnen die Rutsche nach Österreich zu legen.

Die Idee dahinter: Die Partnerstaaten profitieren von neuen Schulen, Lehrgängen und Ausbildungsbetrieben vor Ort und nehmen in Kauf, dass einige Qualifizierte das Land verlassen. Allerdings unterstützen Expats erfahrungsgemäß ihr Herkunftsland mit Heimatüberweisungen.

Derzeit läuft ein Projekt in der nigerianischen Provinz Enugu unter der Ägide des ICMPD. Das Ziel ist, einen Businesspark aufzubauen, ein College zu eröffnen und ein Start-up-Center zu gründen, wie Spindelegger berichtet. Fünf heimische Unternehmen seien bereits an Bord. Allerdings fehlt die Möglichkeit, den neuen Fachkräften eine Perspektive in Österreich zu bieten. Dazu fehlt die gesetzliche Grundlage sowie ein konkretes Abkommen. (slp, APA, 17.10.2019)