"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"
"Disco Elysium"

Was macht ein Rollenspiel aus? Nicht die Tabellen, Charakterwerte, Stufenaufstiege, Würfel und Talentproben, und ganz sicher nicht Lootkisten voller Waffen, die sich in der Anordnung von Zahlen hinter dem Plus unterscheiden. Ein Rollenspiel lässt uns eine Rolle spielen und versetzt uns in eine Welt, die darauf reagiert – alles andere rundum ist nur Dekoration. Im isometrischen Rollenspiel Disco Elysium (Windows, 39,99 Euro) des bislang unbekannten estnischen Indiestudios ZA/UM wird Spielerinnen und Spielern in Erinnerung gerufen, wie das geht – in einem der originellsten, intelligentesten und lustigsten Rollenspiele der mittleren Vergangenheit.

Die Optik täuscht ein wenig: Auch wenn Disco Elysium sich mit seiner isometrischen Ansicht und Multiple-Choice-Dialogen an Klassiker von Baldur's Gate abwärts anlehnt, geht es in anderer Hinsicht fundamental andere Wege. Ein klassisches Kampfsystem gibt es etwa überhaupt nicht – stattdessen steht die Story im Vordergrund. Als abgewrackter alkoholkranker Polizist wacht man verkatert mit völliger Amnesie auf. Die Aufgabe: eine Mordermittlung. Gemeinsam mit dem – nüchternen – Kollegen macht man sich auf die Suche nach Antworten in einer Welt, die auf vage Art und Weise an eine Steampunk-Variante einer französischen Überseekolonie Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts erinnert. Ein großer Gewerkschaftsstreik legt die Hafenstadt lahm, und der geheimnisvolle Lynchmord wird zum Politikum.

Disco Elysium

Wie in RPG-Klassikern erforscht man die Umgebung, spricht mit NPCs und sammelt durch Lösen von Aufgaben Erfahrungspunkte. Der zentrale Unterschied liegt im Charaktersystem: Es gibt stolze 24 unterschiedliche Fähigkeiten oder Talente, von banalen wie "Empathie" oder "Schmerzgrenze" bis hin zu außergewöhnlichen wie etwa "Inland Empire", das völlig irrationale, aber instinktive Handlungsmöglichkeiten eröffnet. In so gut wie jeder Spielsituation "melden" sich die jeweils dominanten Talente sozusagen in inneren Monologen zu Wort; das lässt die jeweiligen Spezialisierungen der Hauptfigur zu wichtigen Spielelementen werden.

Wer auf Physis setzt und dementsprechende Talente steigert, wird zum griesgrämigen Haudrauf, hohe Intelligenz und Logik ermöglichen messerscharfe Schlussfolgerungen, und wer Intuition und Psyche ausbaut, darf sich mit Gegenständen unterhalten und instinktive Geistesblitze oder aber psychotische Episoden erwarten. Die vom Entwickler angegebenen 60 Stunden Spielzeit für einen einzigen Durchgang werden zwar wohl nur von eher langsamen Lesern mit Hang zum Abgrasen aller Sidequests erreicht, doch die Abwechslung, die sich durch unterschiedliche Talente und Entscheidungsmöglichkeiten ergibt, ist enorm und zeigt sich erst bei mehrmaligem Durchspielen.

Disco Elysium

Was ist gelungen?

Disco Elysium ist hübsch und bietet wenig, aber dafür hervorragendes Voice-Acting, doch die inneren Werte überstrahlen die gelungene Präsentation: Hervorragend geschriebene (englische) Texte, das originelle Talentesystem und eine dadurch ermöglichte sehr hohe Wiederspielbarkeit machen das Rollenspiel zum faszinierenden Detektivdrama mit grimmigem, aber zum Teil unfassbar witzigem surrealem Humor.

Was ist weniger gelungen?

Wer Disco Elysium spielt, braucht viel Lust am Lesen anspruchsvoller englischer Texte; auch Leseratten erschlägt manchmal die raue Menge an Informationen. Das Tag-Nacht-System führt zwar zum Glück nicht zu Zeitdruck, allerdings muss man vor allem später hin und wieder im Gegenteil Spielzeit totschlagen, um die Geschichte voranzubringen. Dass man absurderweise gleich zu Spielstart durch eine einzelne falsche Entscheidung (!) das Zeitliche segnen kann, muss ebenso zu den kleineren Schönheitsfehlern gezählt werden.

Disco Elysium

Fazit

Disco Elysium ist ein großartiges Rollenspiel, das sein Genre originell weiterentwickelt und immer wieder durch Abwechslungsreichtum und Originalität überrascht; in dieser Hinsicht hält es locker mit dem großen Planescape Torment mit. Eines der besten Spiele des Jahres – und ein sensationelles Debüt. (Rainer Sigl, 20.10.2019)