Peter Handke kommt von Homer, eigentlich aber aus Griffen.

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Mittwochmittag im Garten eines Cafés am Griffener Hauptplatz. Die Sonne lacht vom Himmel, der Wölfnitzbach plätschert friedlich zwischen den Häuserzeilen, und nur indirekt lässt sich schließen, dass es Dienstagnacht gegen 22 Uhr am Fuß des farbenprächtig über der Marktgemeinde wachenden Burgbergs zu einer weltliterarischen Schrecksekunde gekommen sein muss: Vier Gäste an einem Tisch des Cafés stimmen einander zu, dass es ein rechtes Leid mit dem Journalismus sei, da habe der Handke schon recht.

Das Herz auf der Zunge in Sachen Handke trägt hier allerdings niemand. "Bei Peter Handke bin ich sehr reserviert, da sage ich nichts", meint der Café-Besitzer und lässt einen verdutzt in der Tasse rühren. Dass man, wenn man hinausfährt zum Stift und in der Gastwirtschaft Duller mit der liebenswürdigen, aber ländlich verschlossenen Besitzerin ins Gespräch kommt, irgendetwas Substanzielles in Erfahrung bringen könnte, kann man sich sowieso aus dem Sinn schlagen.

Griffner Schutzring um Handke

Erst wenn man hört, dass er vorige Nacht bis drei mit den Gemeindevorderen und Handke quasi eine ausgelassene lokale Nobelpreisparty gefeiert hat, kann man abschätzen, was für ein Glück man hat, bereits am frühen Nachmittag im Gemeindeamt den dortigen Amtsleiter Mario Snobe anzutreffen. (Also das soll jetzt nichts heißen, vielleicht war er auch schon am Vormittag dort.)

Peter Handke kommt auch von Tolstoi.
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Brühwarm kann Snobe nicht nur von der weltliterarischen Schrecksekunde erzählen, sondern auch die Zurückhaltung begründen, deren sich die knapp 3.500 Griffnerinnen und Griffner befleißigen, sobald sie von Außerörtlichen auf Handke angesprochen werden. Ja, es gab Zeiten, als die Einheimischen an kritischen Texten wie "Wunschloses Unglück" zu schlucken hatten, da herrschte Vorsicht. Aber das liegt Jahrzehnte zurück.

Amtsleiter Martin Snobe über Handke

Inzwischen ist der einzige Grund dafür, nicht alles auszuplappern, dass man respektiere, dass der Ort Handkes privates Refugium darstelle. Hier hat alles Öffentliche nur so weit Platz, als es mit Handkes Zustimmung förmlich geplant ist. Ansonsten wird offenbar, wie in einer großen Familie, ein Schutzring um das bedeutendste Mitglied gebildet.

Noch liegt alles an seinem Platz: Die Griffener Dauerausstellung zu Peter Handke bildet ein Kleinod des Bezirks Völkermarkt.
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Wie aber konnte der am Dienstagabend so sehr durchbrochen werden? Snobe: "Handke wurde am Nachmittag von Bürgermeister Josef Müller vom Flughafen Ljubljana abgeholt. Abends fand eine Gemeinderatssitzung statt, deretwegen auch drei Politikjournalisten lokaler Blätter anwesend waren. Unmittelbar im Anschluss daran, eben gegen 22 Uhr, kam Handke ins Gemeindeamt, um an einem Empfang zu seinen Ehren teilzunehmen. Dabei sollten heimische Honoratioren, darunter Landeshauptmann Peter Kaiser, dem Dichter persönlich gratulieren können."

Brav den Job erledigt

Vonseiten des Gemeindeamts ungeplanterweise hatte das ORF-Landesstudio zu dem Empfang eine junge Mitarbeiterin entsandt, die glaubte, brav ihren Job zu erledigen, als sie Handke vergeblich zu einem Interview drängte, dann endlich doch wenigstens eine Frage zugestanden bekam und diese dafür nützte, von Handke eine Reaktion auf die Reaktion von Saša Stanišić auf die Nobelpreisentscheidung zu erbitten. Wahnsinnig feinfühlig war das nicht. Aber Handke hat Übung nicht nur in Weltgerichten, sondern auch in der Androhung, sich nie wieder Journalistenfragen stellen zu wollen.

Zur Ankunft Peter Handkes wurde am Dienstagnachmittag die Fassade des Gemeindeamts Griffen eilig in eine Art "Peter-Handke-Triumphbogen" verwandelt.
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Mario Snobe berichtet, dass Handke im Anschluss daran, dass ihm der Kragen geplatzt war, in bester Laune den Abend verbracht habe. Wobei man eben eigentlich nicht von Abend, sondern von Nacht, wenn nicht von Morgen sprechen muss. Um 7.30 Uhr habe er den Bürgermeister jedenfalls telefonisch verständigt, dass er sich außerstand fühle, den für Mittwochabend vereinbarten Begegnungstermin mit der Presse wahrzunehmen.

Eine Begründung dafür habe er nicht genannt. Aber sonst herrschte am Mittwoch poetische Ruhe in Griffen. Und Frau Duller in der Gastwirtschaft im Stift ließ sich denn doch entlocken, dass Handke, wie immer, wenn er in Griffen weilt, auch an diesem Tag bereits zu Besuch war. (Michael Cerha, 17.10.2019)