Hat viele Theaterprojekte zusammen mit Peter Handke verwirklicht: Regisseur Claus Peymann.

Foto: Regine Hendrich

Heidelberg/Wien – Regiealtmeister Claus Peymann hat Literaturnobelpreisträger Peter Handke verteidigt. "Es war die schönste Nachricht des Jahres für mich, dass er den Nobelpreis bekommt", sagte Peymann der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom Freitag. "Ich erwäge, ob ich nach Stockholm mitfahre, wenn Handke den Thron der Weltliteratur besteigt." Der Konflikt sei "sehr aufgeblasen".

Letztlich spiele auch Handkes ungewöhnlicher Charakter eine entscheidende Rolle: "Er ist kein Opportunist, er richtet sich nicht nach der Mehrheit, sondern spricht seine eigene Meinung aus, wie das Schriftsteller machen sollten", sagte Peymann, der bis 2017 18 Jahre lang das Berliner Ensemble geleitet hatte. Er hat zahlreiche Handke-Stücke auf die Bühne gebracht, darunter auch "Die Fahrt im Einbaum" über den Jugoslawien-Krieg.

Handke war im Balkankonflikt auf der Seite Serbiens gestanden und hatte 2006 bei der Beerdigung des jugoslawischen Ex-Diktators Slobodan Milošević eine Rede gehalten. Die Vergabe des Nobelpreises am Donnerstag vergangener Woche stieß weltweit auf ein geteiltes Echo. Vor allem der gebürtige Bosnier Saša Stanišić, der 1992 nach Deutschland floh, kritisierte Handke wegen dessen proserbischer Haltung scharf. Stanišić ist Gewinner des Deutschen Buchpreises 2019.

Dinić: "Meine erste Reaktion war: Scheiße!"

Im Weiteren äußerte sich auch der in Wien geborene und in Belgrad aufgewachsene Autor Marko Dinić in einem Interview mit der APA: "Meine erste Reaktion war: Scheiße! Jetzt beginnt die Diskussion! Seither verfolge ich diese Diskussion und bin auch Teil von ihr, obwohl sie schon Karl Valentin'sche Züge angenommen hat: Es wurde alles schon gesagt, aber noch nicht von jedem. Ich glaube, beide Seiten müssen mit der Ambivalenz dieses Werkes und dieses Autors leben. Es nützt nichts, sich die ganze Zeit im Kreis zu drehen. Man sollte eher die Gelegenheit benutzen, sich genau anzuschauen, was dieser Mensch von sich gegeben und geschrieben hat."

Er bestreite nicht Handkes "Meisterschaft in der Literatur", so Dinić, doch lasse sich genauso wenig verheimlichen, "dass er mit serbischen Nationalisten den Schulterschluss gesucht hat". Dinić zeigt Verständnis für die Kritik von Kollegen wie Stanišić. Zudem habe Handke übersehen, "dass es in Serbien eine riesige Protestbewegung gegeben hat. Wenn er sagt, ich komme von Homer, Cervantes und Tolstoi, stellt mir nicht solche Fragen, muss man ihm sagen: Entschuldigung, selber schuld! Er muss damit leben, dass er diesen Schwachsinn von sich gegeben hat. Und er hat sich niemals wirklich davon distanziert. Dieser Nobelpreis ist auch ein politischer Preis. Auf der anderen Seite ist klar, dass es keinen anderen Autor der Gegenwart gibt, der so ein Oeuvre, so eine Poetik hinter sich hat wie Peter Handke. Mit dieser Ambivalenz müssen wir jetzt alle leben – egal ob wir für oder gegen ihn sind." (APA, red, 18.10.2019)