In Ruinerwold, der 4.000-Einwohner-Gemeinde, ist seit dieser Woche vieles anders als zuvor.

Foto: AFP/ANP/VINCENT JANNINK

Er schaut nach rechts, einen verträumten Blick in den Augen. Baseballkappe, langer Kinnbart und noch längere, leicht gewellte hellbraune Haare: So präsentiert sich Jan D., eines der sechs Kinder der Familie, die zusammen mit dem Österreicher Josef B. völlig isoliert auf einem Bauernhof im niederländischen Ruinerwold gelebt haben soll, auf seinem Facebook-Account. Jan D. war auch auf Twitter und Linkedin aktiv. Er berichtete von seinem neu gegründeten Webshop und dem Logo, mit dem er sehr zufrieden sei. Aber auch von Greta Thunberg und dem weltweiten Klimastreik vom 27. September.

So weltfremd kann er also nicht gewesen sein. Auch in der echten Welt war er unterwegs, beweist ein Foto von Tannenzweigen vor einem knallblauen Himmel. Es gibt auch Selfies und Aufnahmen von Ruinerwold.

War Jan D. wirklich geflüchtet, als er Sonntagabend in der Dorfkneipe De Kastelein auftauchte und der Wirt die Polizei alarmierte? Wurde er zusammen mit Vater und Geschwistern tatsächlich gegen seinen Willen auf dem Bauernhof festgehalten, in "provisorisch eingerichteten Räumen", wie der Bürgermeister sagte? Und ist Josef B., "de Oostenrijker", der Mann, der ihn dort einzusperren versuchte?

Der 58-jährige gebürtige Oberösterreicher war am Montag wegen Freiheitsberaubung und "Schädigung der Gesundheit anderer", so die Staatsanwaltschaft, festgenommen worden. Am Donnerstag wurde über ihn Untersuchungshaft für die Dauer von 14 Tagen verhängt, auch der 67 Jahre alte Vater wurde festgenommen. Auf dem Hof wurden große Mengen Bargeld sichergestellt. Da die Herkunft nicht bekannt sei, wird der Vater auch der Geldwäsche verdächtigt.

Ermittlungen in Oberösterreich

Und in Österreich ermittelt das Landeskriminalamt Oberösterreich auf Ersuchen des Außenministeriums weitere Informationen zum Verdächtigen. Bislang bekannt ist, dass er in Waldhausen im Bezirk Perg geboren wurde und ein in Pabneukirchen geerbtes Haus 1983 verkauft hat, bevor er nach Wien zog.

Die niederländische Polizei, die mit einem 25-köpfigen Sonderteam ermittelt, hat den Bauernhof in Ruinerwold am Donnerstag nochmals gründlich durchsucht und alle Räume gefilmt und fotografiert. Weitere Durchsuchungen fanden in zwei Gebäuden in dem nahe gelegenen Ort Zwartsluis statt. In einem davon befand sich das Spielzeuggeschäft Natural Games, das Jans Vater Gerrit Jan D. zusammen mit Josef B. geführt haben soll. Beim anderen soll es sich um den Holzhandel des Österreichers handeln. Zu seinen Mitarbeitern zählte auch Jan D., das jedenfalls erzählte der junge Mann in den sozialen Medien.

Wie der Lokalsender RTV Drenthe erfahren haben will, gehören sowohl Josef B. als auch der Vater und seine sechs Kinder einer umstrittenen religiösen Bewegung an. Die Tageszeitung AD meldete hingegen, der Vater habe vor 30 Jahren den niederländischen Zweig der Bewegung verlassen müssen, "weil er so verrückte Ideen" hatte. Das sagt zumindest der Neffe von Gerrit Jan D., der laut eigenen Angaben noch immer Mitglied ist.

Angeblich weitere Kinder

Offiziell bestätigt wurde bislang nichts. Die niederländische Polizei ist äußerst zurückhaltend mit Informationen. Eine Sprecherin erklärte lediglich: "Wir denken, dass die sechs Personen dort nicht aus freiem Willen gelebt haben." Außerdem werde untersucht, "ob es hier um eine besondere Glaubens- oder Lebensgemeinschaft ging".

Auf Spekulationen und Vermutungen wird nicht eingegangen. Kommentiert wurde daher auch nicht der Bericht von RTV Drenthe, Gerrit Jan D. habe noch drei Töchter, deren Aufenthaltsort unbekannt sein soll. Um dem Ansturm der Journalisten und Kamerateams gewachsen zu sein, die inzwischen sogar aus Neuseeland angerückt sind, hat die Exekutive eine englische Website mit neuesten Informationen ins Netz gestellt. Doch die lassen auf sich warten. (Kerstin Schweighöfer aus Den Haag, 17.10.2019)