Wer am Ooyama-Biker-Schrein hält, radelt mit dem Segen der Shinto weiter.

Foto: Sascha Rettig

Dank der Innoshima-Brücke kommen Radler schneller übers Seto-Binnenmeer.

Foto: Sascha Rettig

Das Ziel des Shimanami-Kaido-Radwegs heißt Imabari – einfach den Pfeilen folgen!

Foto: Sascha Rettig

Früh am Morgen schwingt sich die kleine Gruppe Radfahrer auf ihre Sättel. Sie ist wild entschlossen, die 70 Kilometer von Onomichi nach Imabari in nur einem Tag zu schaffen, obwohl zwischen den beiden Städten das Seto-Binnenmeer und sechs Inseln liegen. Die wurden allerdings untereinander mit massiven Brücken verbunden – und durch den Radweg Shimanami Kaido. Auf ihm kommt man auch bequem per Rad von Honshu, der größten der vier japanischen Hauptinseln, auf die kleinste Shikoku.

Japan will sich bis zum Jahr 2020 zur Fahrradnation entwickeln. Deshalb investiert die Regierung seit einigen Jahren massiv in Radewege und zusätzliche Infrastruktur für Radler. Die Shimanami-Kaido-Route war nicht nur eine der ersten Japans, sie gilt auch als eine der schönsten.

Richtig in die Pedale treten

Onomichi liegt an der Küste und an steilen Hügeln. Mit der Seilbahn gelangt man auf den Senkoji, die höchste Erhebung der Stadt. Nach dem Aussteigen eröffnet sich ein weites Panorama über den Hafen und die Seto-Inlandsee – so bekommt man bereits eine Ahnung, wohin einen der Radweg führt. Auch im Hotel Cycle wurde man schon an Vorabend auf die Tour eingestimmt. Beim Cycle handelt es sich um ein trendiges Biker-Hotel, das sich direkt am Wasser in ehemaligen Lagerhäusern befindet, und man spürt die Fahrradverrücktheit der Betreiber: Die Gäste können mit dem Rad bis an die Rezeption fahren und wie in einem Drive-in einchecken, danach werden die Räder direkt vor dem Zimmer abgestellt.

Am nächsten Morgen wartet Satoshi Fukotome in voller Rennradlermontur in der Lobby. Er ist der Tourguide und sorgt dafür, dass die kleine Gruppe auch mitbekommt, was es links und rechts der Strecke zu entdecken gibt. Nach einer kurzen Überfahrt mit der Fähre wird endlich richtig in die Pedale getreten. Für die Orientierung braucht man hier keinen Guide, denn der Weg ist von Anfang an japanisch-ordentlich markiert. Immer nur stur den Pfeilen auf dem Radweg in Richtung Imabari folgen.

Süß-säuerliches Lächeln

Jedes Jahr Ende Oktober findet in der Region ein großes Radevent statt. Dann gehört die gesamte Strecke, auch die oft parallel verlaufenden Autostraßen und -brücken, allein den rund 7.000 Fahrradfahrern. An diesem sonnigen Tag sind aber längst nicht so viele unterwegs, ein paar Freizeitradler und Rennradler, Touristen wie Einheimische. An ihnen ziehen Hafen- und Fischerorte, aufgeräumte Strände und sattgrüne Inselchen vorbei. Durch die imposanten Brücken ist hier seit 20 Jahren niemand mehr auf Fähren angewiesen. Die riesigen Stahlkonstruktionen sind selbst ein Highlight der Tour auf dem Shimanami Kaido.

Die Gegend ist berühmt für die Hassaku-Zitrone, die zu unzähligen Spezialitäten verarbeitet wird. Zitronen, überall leuchten Zitronen entlang des Weges. Auch in der Auslage des Hassaku-Shops, bei dem Guide Fukotome für einen kurzen Snack anhält. "Meist sind sie schnell ausverkauft, aber heute haben wir Glück", sagt er und meint die gefüllten Reisbällchen, die sauer und zugleich süß schmecken. Von der Verpackung lacht etwas säuerlich eine Zitrone.

Buddhistisches Disneyland

Entlang der Strecke gibt es immer wieder kleine Besonderheiten zu entdecken. Ein Schlenker führt zum Ooyama-Schrein. Auch wenn man die japanischen Schriftzeichen nicht entziffern kann, ist unschwer zu erkennen, dass er im Zeichen der Radfahrerei steht. Überall sind stilisierte Fahrräder zu sehen und passende Andenken. Eine Gruppe lässt sich gerade unter dem roten Torii, der den Eingang zum Shinto-Schrein markiert, fotografieren. "Das bringt Glück auf der Tour", erklärt Fukotome.

Der Kosanji-Tempel auf der Insel Ikuchijima, ist jedenfalls deutlich größer und voller bunter Verzierungen. Ein Geschäftsmann ließ ihn ab den 1930er- Jahren errichten – aus Liebe zu seiner Mutter. Rund 30 Jahre später war er fertig mit seinem buddhischtesn Disneyland: die Gebäude sind bekannten Tempeln Japans nachempfunden.

Um die Kurushima-Brücke, mit über vier Kilometer eine der längsten Hängebrücken der Welt, zu erreichen, ist es an diesem Tag schon zu spät. Am frühen Abend geht der letzte Bus zurück nach Onomichi. Für diese Fahrt muss man im ordentlichen Japan aber vorsorgen: Das Rad wird nur mitgenommen, wenn es feinsäuberlich mit einer Schutzhülle versehen ist. (Sascha Rettig, 23.10.2019)