Wie viele Scooter künftig erlaubt sind und wo sie stehen dürfen, steht auf der Agenda von Stadt und Betreibern.

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So wirklich reden will man bei der Stadt Wien noch nicht über den E-Scooter-Gipfel am Freitag. Eigentlich will man ihn, nachdem der Termin von Medien kolportiert wurde, nicht einmal als solchen bezeichnen. Im Büro der Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) spricht man lieber von einem "Termin, wo sich die Dienststellen der Stadt Wien mit den Betreiberfirmen zusammensetzen und Gespräche führen".

Einzig einige Dienststellen, die in den Gipfel, der keiner ist, eingebunden sind, werden verraten: etwa die MA 28 (Straßenverwaltung), die MA 46 (Verkehrsorganisation), die MA 65 (Rechtliche Verkehrsangelegenheiten) und die MA 67 (Parkraum). Und: Man werde unterschiedliche rechtliche und verkehrstechnische Fragestellungen bearbeiten, so viel stehe fest, sagt ein Sprecher Hebeins. Außerdem sollen demnächst die Ergebnisse der Evaluierung zum Thema präsentiert werden.

Einzelne Magistratsabteilungen sind, angesprochen auf das Treffen mit den Betreibern, wenig auskunftsfreudig. Grund für die Verhaltenheit mag sein, dass schon seit Wochen Gerüchte die Runde machen, die Stadt suche nach Plänen, die E-Scooter-Invasion in den Griff zu bekommen. Berichte über Papiere tauchten auf, denen zufolge Betreiber aus der Stadt gedrängt werden sollen – und Spekulationen darüber, wo die, die bleiben dürfen, ihre Gefährte künftig abstellen dürfen.

"Graffelwerk" und Beschwerden

Abseits von Spekulationen steht fest: E-Scooter emotionalisieren. Etwa wenn Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zum Thema Scooter-Parken sagt: "Sie können Ihr sonstiges Graffelwerk ja auch nicht auf der Straße abstellen."

Von der Landespolizei heißt es, dass "über E-Tretroller tatsächlich viele Bürgerbeschwerden einlangen", oft gehe es dabei um rücksichtsloses Fahrverhalten und Abstellmodalitäten. Zwischen Oktober 2018 und August 2019 führte die Polizei 1.559 Amtshandlungen bei E-Scooter-Fahrern durch, die meisten betrafen das Fahren zu zweit oder auf dem Gehsteig sowie Telefonieren am Steuer.

Bei einem Verkehrsschwerpunkt im Juli in Wien im Juli achtete die Polizei verstärkt darauf, dass E-Scooter- und Radfahrer die Verkehrsregeln einhalten.
DER STANDARD

Neun Anbieter, 8.000 Roller

Fest steht auch: Die Zahl der E-Scooter nimmt zu. Ganze neun Anbieter gibt es aktuell, seit im Sommer vergangenen Jahres die ersten Leihscooter-Firmen auf dem Wiener Markt erschienen – nicht alle von ihnen sind jederzeit aktiv. Jede von ihnen aber, so legte es die Stadt Wien damals per Verordnung fest, darf 1.500 Elektroroller in Umlauf bringen. Nur die Zahl der Stück pro Anbieter wurde begrenzt, nicht aber die Zahl der Anbieter selbst.

Die neun, die derzeit am Markt sind, haben momentan insgesamt 8.000 Scooter registriert, heißt es auf Nachfrage aus dem Büro Hebein; das müsse aber nicht bedeuten, dass alle auf der Straße unterwegs sind: Sie könnten auch in Garagen stehen. Das heißt: Allein die Firmen, die derzeit aktiv sind, könnten noch mindestens 5.500 Stück in Umlauf bringen.

Betreiber suchen Lösungen

So haben selbst die Betreiber erkannt, dass das aktuelle Modell keine Zukunft hat. Auch sie sitzen am Freitag mit am Tisch, einige von ihnen sind deutlich gesprächsfreudiger als behördliche Stellen und betonen, dass man ohnehin stets im Austausch mit der Stadt sei.

Lime, einer der ersten Betreiber, die damals nach Wien kamen, fordert im Vorfeld, dass die Flotten-Obergrenze erhöht wird, nur dann könne man die Flächenbezirke abdecken. Außerdem hält man eine Mindestflottengröße für sinnvoll, damit nur jene Anbieter in Wien aktiv sind, "die über den nötigen Rückhalt verfügen, um größere Bereiche ausreichend und langfristig abdecken zu können", wie die Pressestelle schreibt. Bird, der zweite Pionier, sah bisher keine "nennenswerten Probleme", zumindest nicht durch die eigenen Roller.

Neun Anbieter, 8.000 Stück und Luft nach oben – sie sieht es derzeit in Wien aus.
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Ein Sprecher des österreichischen Anbieters Tier sagt, beide Seiten, also Stadt und Betreiber, hätten im letzten Jahr dazugelernt. Eine Alternative zur aktuellen 1.500-Stück-Regelung könne sein, dass man die Anbieter reduziere und diese dafür mehr Scooter in Umlauf bringen dürfen. "Eine Ausschreibung würde vieles vereinfachen, wenn man davon ausgeht, dass es danach drei Anbieter gibt, die einige tausend Stück haben", sagt ein Sprecher. Argumentiert wird damit, dass mit weniger Anbietern die Kommunikation einfacher wäre, außerdem könnte die Stadt mit einer Ausschreibung deren Qualität sicherstellen.

Beim deutschen Betreiber Circ sieht man das ähnlich – auch dort betont man den regen Austausch mit der Stadt und die Sinnhaftigkeit einer Ausschreibung. Sollte sie kommen, blicke man ihr zuversichtlich entgegen: "Wir sind sehr daran interessiert, dass man da Ordnung reinbringt", sagt ein Sprecher.

Ein weiterer Knackpunkt dürfte das Parken sein. Vom Vorarlberger Start-up Holmi heißt es im Zusammenhang damit: "Wir arbeiten in Dornbirn mit sogenannten Hotspots. Wenn der Kunde den Scooter an einem Hotspot abstellt, bekommt er einen prozentualen Rabatt vom Fahrpreis", sagt ein Sprecher.

Heuer 100 Menschen im Krankenhaus

Ebenfalls eingebunden werden am Freitag die Mobilitätsagentur und das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). In der Mobilitätsagentur – sie wurde von der Stadt Wien gegründet – verweist man, sobald der Begriff E-Scooter fällt, ebenso auf das Büro Hebein. Im KFV spricht man über konkrete Problemfelder. Zum Beispiel darüber, dass man errechnet hat, dass sich heuer österreichweit wohl 1.000 E-Scooter-Fahrer so schwer verletzen werden, dass sie im Krankenhaus landen. Zum Vergleich: Dasselbe gilt für 30.000 Radfahrer.

Jeder fünfte E-Scooter-Fahrer wisse nicht, dass er nicht auf dem Gehsteig fahren darf, jeder vierte fahre auf dem Gehsteig, sagt Klaus Robatsch vom KVF, "und dort gefährden sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer". Auch wenn Scooter auf Gehwegen abgestellt werden – aktuell ist das erlaubt, zumindest solange der Gehsteig breiter als 2,5 Meter ist –, behindern sie vor allem mobilitätseingeschränkte Menschen oder jene mit Kinderwagen. Eine Variante wie in Tel Aviv oder auch Linz, wo spezielle Flächen markiert werden, auf denen die Roller parken dürfen, "würde auch in Wien Sinn machen".

Wie geht es weiter?

Robatsch spricht, ohne Namen zu nennen, von Qualitätsunterschieden zwischen den Betreibern. Er plädiert für verpflichtende Qualitätskriterien, etwa wenn es um die Sicherheit oder das Einsammeln der Roller geht. Robatsch spricht aber auch von Chancen: Die Leihscooter hätten in den Augen der Bevölkerung das Potenzial, die Mobilitätserweiterung für die erste und letzte Meile, also den Weg vom und zum Auto oder den Öffis, zu sein.

Die zwei wichtigsten Themen beim Gipfel dürften, wenn es nach den Betreibern und dem KFV geht, also sein: Wo darf man die Roller in Zukunft parken? Und: Wer darf künftig wie viele von ihnen in der Stadt verteilen? Offen ist, ob es bei Gesprächen bleibt, wie Anbieter Bird erwartet, oder ob die Stadt erneut eine Verordnung erlassen wird. Beim Anbieter Tier zumindest geht man davon aus, "dass es kein konsequenzenloser Plausch wird". (Gabriele Scherndl, 24.10.2019)