1917 porträtierte Lovis Corinth den "schillernden Kunsthändler" Wolfgang Gurlitt.

Lentos-Kunstmuseum Linz

Zwei Ausstellungen in Linz beschäftigen sich derzeit erstmals mit Profiteuren der NS-Zeit, die in den Museumsbeständen vor Ort ihre Spuren hinterließen und in der lokalen Kulturpolitik mitmischten. Im Lentos-Kunstmuseum geht es um Wolfgang Gurlitt, einen umstrittenen Kunsthändler, dessen 1952/53 angekaufte Sammlung den Grundstock des Bestandes bildet. Das Nordico setzt den Kunsthistoriker Justus Schmidt in den Mittelpunkt, ein während der NS-Zeit hoher Beamter der Gauverwaltung, dessen Sammlung 1971 durch eine Schenkung in den Besitz des Stadtmuseums gelangte.

Die Gemeinsamkeit der Schauen: Die gezeigten Kunstwerke stehen zwar repräsentativ für die jeweilige Laufbahn, geben jedoch keinen Aufschluss über die individuellen und fragwürdigen Rollen in den Jahren ab 1938. Diese erschließen sich erst über die in den Katalogen publizierten Forschungsbeiträge. Sie inkludieren auch eine Aufarbeitung der Nachkriegsjahre, die mangelndes Problembewusstsein offenbart. So reklamierte die Stadt Linz Anfang der 1950er-Jahre etwa Kunstgegenstände aus dem persönlichen Besitz Adolf Hitlers unter Verweis auf sein Testament für sich. Vergeblich.

Nachholen, was "geschichtlich versagt" blieb

Die Pläne Hitlers, Linz zu einem "neuen europäischen Kunst- und Kulturzentrum" aufzuwerten, hatten sich bekanntlich zerschlagen. Die lokale Kulturpolitik übertünchte ihre Wehmut nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit großem Eifer für neue Projekte. Eine städtische Kunstgalerie, "um nachzuholen, was" dieser Stadt "geschichtlich versagt geblieben ist", wie es ein Leiter des städtischen Kulturamtes noch 1952 bezeichnete, sollte also über das nie realisierte "Führermuseum" hinwegtrösten.

Der begleitende "Sonderauftrag Linz" hatte ab 1939 Enteignungen jüdischer Sammlungen in einem historisch beispiellosen Ausmaß befeuert. Zu den Involvierten gehörten sowohl Wolfgang Gurlitt als auch Justus Schmidt. Letzterer reiste für die Beschaffung von Kunst aus beschlagnahmten jüdischen Sammlungen für den Gau Oberdonau mehrmals nach Paris. 1943 wird er Depotverantwortlicher der in Stift Kremsmünster und in Stift Hohenfurth eingelagerten Bestände des geplanten Führermuseums. Nach dem Krieg wird er provisorischer Leiter des Oberösterreichischen Landesmuseums und befürwortet die Gründung der Neuen Galerie der Stadt Linz. Er war es auch, der den ihm bekannten Wolfgang Gurlitt ins Spiel brachte.

Zweifelhafter "Zauberprinz"

Der aus Berlin gebürtige Kunsthändler war seit 1940 in Bad Aussee wohnhaft und verlagerte seine Geschäftstätigkeit 1943 nach Österreich. Im Gegensatz zu seinem im NS-Raubkunsthandel überaus erfolgreichen Cousin Hildebrand war Wolfgang Gurlitt als Vermittler für den "Sonderauftrag" nur bedingt erfolgreich.

Nebenher profitierte er durch Devisengeschäfte mit "entarteter" Kunst oder für den Aufbau seiner "Privatsammlung" aus teils dubiosen Quellen, die er für 1,8 Millionen Schilling der Stadt Linz verkaufte: für die Neue Galerie der Stadt Linz, Wolfgang-Gurlitt-Museum, als dessen Leiter er von 1947 bis Anfang 1956 ehrenamtlich tätig war. Seit 1999 wurden 13 "seiner" Kunstwerke restituiert.

Im Lentos wird dieses Thema beiläufig in einem Raum abgehandelt, der Rest ist Gurlitts Meilensteinen gewidmet, dem für Linz realisierten Ausstellungsmarathon, dem begnadeten Netzwerker, seinen Künstlern, die er jahrelang förderte, etwa Max Pechstein, Lotte Laserstein oder Eric Isenburger, deren Werke man als Trophäen seiner Kunsthändlerkarriere präsentiert. Oskar Kokoschka nicht zu vergessen, der Gurlitt 1923 als "Zauberprinz" verewigte. Daraus leitet sich auch der Ausstellungstitel ab, der angesichts seiner zweifelhaften Vita verharmlosend wirkt.

Nordico macht's besser

Anders das Konzept im Nordico, das zeitgenössische Interventionen inkludiert. Der Medien- und Konzeptkünstler Simon Wachsmuth zeichnet auch für die Ausstellungsgestaltung verantwortlich: Statt die Wände mit der Schmidt'schen Kollektion zu bepflastern, wird die Mehrheit der 180 Zeichnungen, zusammen mit zeitgenössischen Dokumenten und Fotografien im Umfeld des "Anschlusses" bis zur frühen Nachkriegszeit, in Grafikschränken verwahrt. Schublade für Schublade (108 insgesamt) arbeiten sich Besucher durch Das stille Vergnügen (Ausstellungstitel), das von einer Klanginstallation durchkreuzt wird: "Nazi, Nazi", wispert und hallt es feststellend oder fragend durch die Ausstellungsräume. (Olga Kronsteiner, 19.10.2019)