Einst war Heinz Schaden hochgeachtet. Doch vor knapp drei Wochen saß der ehemalige Salzburger Bürgermeister sichtlich gezeichnet auf der Anklagebank des Höchstgerichts, um sein Hafturteil zu hören. Der Ex-Bürgermeister vor dem Strafrichter: ein Bild, das wohl so manchem Gemeindeoberhaupt in Österreich eine unruhige Nacht bereitet hat.

Besonders brisant wird die rechtliche Verantwortung für Bürgermeister, wenn sie mit ihren Privatgeldern haften – wie es nun Heinz Schaden leidvoll erfahren muss.
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Es war eine Finanztransaktion, die Ex-Bürgermeister Heinz Schaden ins Kriminal rutschen ließ. Um eine Finanzbelastung von der Kommune abzuwenden, hatte er sechs negativ bewertete Zinstauschgeschäfte in Höhe von insgesamt drei Millionen Euro von der Stadt Salzburg an das Land übertragen – zum Nachteil des Landes Salzburg.

Ein "unvertretbarer Verstoß gegen rechtliche Richtlinien", urteilten die OGH-Richter, die Schaden ein Jahr unbedingte Haft wegen Untreue aufbrummten, zwei Jahre wurden bedingt verhängt. "Das hat sicherlich eine abschreckende Wirkung auf Menschen, ein Bürgermeisteramt anzustreben. Denn gerade Bürgermeister müssen für vieles Haftung übernehmen und sind dabei mit einem hohen Klagsrisiko konfrontiert", sagt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. Besonders brisant wird die Sache, da die Bürgermeister bisweilen mit ihren Privatgeldern haften – wie es nun Heinz Schaden leidvoll erfahren muss.

Der finanzielle Ruin

Im Regressfall holt sich die Stadt von ihm die Gelder zurück, dazu muss das ehemalige Stadtoberhaupt Salzburgs auch für die Prozesskosten aufkommen. Dabei handelt es sich nicht um eine Lappalie, es geht um Beträge in Höhe von mehreren Millionen Euro. Die politische Karriere Schadens endet damit im persönlichen und finanziellen Ruin.

"Das hat sicherlich eine abschreckende Wirkung auf Menschen, ein Bürgermeisteramt anzustreben", sagt Gemeindebundchef Riedl zum Schaden-Urteil.
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Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass hierzulande ein Bürgermeister vor dem Kadi landet. Es sind nicht immer derart komplizierte Finanztransaktionen, bei denen sich ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin übernommen hat – meist sind es vermeintlich trivialere Fälle, deretwegen sich Bürgermeister vor dem Strafgericht verantworten müssen.

Gemeindebundchef Riedl erinnert etwa an den "Hechtbiss-Fall" im niederösterreichischen Hofstetten-Grünau: In einem Badeteich der Gemeinde wurde ein Kind von einem Hecht gebissen. Für den Bürgermeister endete das in erster Instanz mit einer Zahlung von 14.000 Euro Schmerzensgeld. Denn bei Badeteichen oder Seen, die sich im Besitz einer Gemeinde befinden, ist der Bürgermeister auch "Tierhalter" – und muss deshalb die Haftung übernehmen.

Bürgermeister sind zudem "Wegehalter". Stürzt jemand über ein morsches Geländer oder fallen Äste auf Passanten, dann tragen der Bürgermeister und die Gemeinde dafür die Verantwortung. Im salzburgischen Abtenau etwa wurde die Gemeinde verklagt, nachdem eine Mountainbikerin über ein Schlagloch gestürzt war und sich die Hand gebrochen hatte. Ein Lokalaugenschein musste klären: Wie groß war das Schlagloch, wann wurde es zuletzt kontrolliert, und wie wurde alles dokumentiert? Ein ziemlicher Bürokratieaufwand.

Den "Dorfkaiser" gibt's nicht mehr

Der "Dorfkaiser", der leutselig beim Bier im Wirtshaus sitzt und mit Dorflehrer und Pfarrer Hof hält, ist schon lange Geschichte. Den Ortschef einer 3000-Einwohner-Gemeinde könnte man heute mit dem Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens vergleichen. Wie der Manager ist auch er für seine Entscheidungen haftbar. Bürgermeister sind Bau- und Veranstaltungsbehörde, Sicherheitsverantwortliche. In größeren Gemeinden sind sie zudem Geschäftsführer ausgelagerter Gesellschaften wie etwa der Abwasserentsorgung und Müllbeseitigung, in Wirtschaftshöfen oder Liegenschaftsverwaltungen. Damit stehen sie privatrechtlich mit ihrem Vermögen in Verantwortung. Was wieder bedeutet, dass sie höllisch aufpassen müssen, Stichwort: Sorgfaltspflichten oder Organhaftung.

"Das macht mich ja so wütend an dem Urteil, das über Heinz Schaden gefällt wurde", sagt Toni Vukan, roter Parteifreund und seit 16 Jahren Bürgermeister im südsteirischen Mureck. "Er hat für das Gemeinwohl gehandelt, für sich selbst keinen einzigen Euro genommen. Und er wird bestraft, während andere, die sich bereichert haben, frei herumlaufen." Vukan ist besorgt: "Du musst heute als Bürgermeister wie ein Unternehmer handeln, lebst aber in der Sorge, dass du mit einem Fuß im Kriminal stehen könntest, während du darauf schaust, dass es der Gemeinde gutgeht und sie prosperiert." Es sei "kein Wunder, dass sich immer weniger Menschen das Bürgermeisteramt antun".

Keine soziale Absicherung

Der Gemeindebund hat dieses Problem in einer Untersuchung analysiert: Nur 42 Prozent der Ortschefs- und -chefinnen gaben an, das Bürgermeisteramt wirklich gewollt und aktiv angestrebt zu haben. 46 Prozent meinten, sie seien dazu überredet oder sogar gedrängt worden. Dazu üben 80 Prozent der Befragten den Bürgermeisterjob neben ihrem zivilen Beruf aus. Das Amt allein reicht nicht fürs Einkommen, es ist sozial nicht abgesichert und damit wenig attraktiv.

Natürlich: Das Ziel der Gemeindepolitik, Prosperität in den Ort zu bringen, das missverstehen Kommunalpolitiker bisweilen als Anregung zum Geldausgeben. Kostspielige Sporthallen, Prestigebauten, beheizte Hauptplätze, nicht refinanzierbare Hallenbäder oder Goodies für die Bürger stürzen Gemeinden aber oft in finanzielle Nöte. Die mancherorts unter der Oberhohheit der Parteien stehende Gemeindeaufsicht drückt dabei gerne mal ein Auge zu. Bis es kracht. Die Landespolitik, die die Generosität ihrer Parteikollegen in den Kommunen gerne mit Landesgeldern unterstützt, wird nur selten zur Verantwortung gezogen. Übrig bleiben die Bürgermeister, die sich für ihre Wohltaten von den Gemeindebürgern feiern ließen – im Falle des Falles dann aber für Misswirtschaft geradestehen müssen.

Ein Batzen Geld

Weil Bürgermeister in nur wenigen Fällen echte Unternehmerpersönlichkeiten, vor allem aber äußert selten Finanzexperten sind, erliegen sie laut Experten häufig den Versuchungen riskanter Finanzierungsinstrumente. Eines von vielen Beispielen: Cross-Border-Leasing. Dabei werden Infrastruktur, Kanalisation, Schulgebäude oder Straßen mit einer hochkomplexen juristischen Konstruktion langfristig an einen US-Investor verpachtet und für eine fixe Dauer von 25 bis 30 Jahre zurückgemietet.

Der Vorteil dieser Scheingeschäfte mit öffentlichem Eigentum: Sie spülen einen Batzen Geld für neue Projekte in die Kasse. Können aber fatale Folgen haben, wie etwa während der US-Finanzkrise. "Man war in den 2000er-Jahren als Bürgermeister schon fast rückständig, wenn man keine Fremdwährungskredite hatte. Finanzgurus haben landauf, landab die Vorteile von Spekulationsgeschäften gepredigt – dann kam der Crash, und es wurde sehr schnell ruhig", sagt Gemeindebundchef Riedl.

Trotz all dieser Brösel muss es etwas geben, das Bürger animiert, "Meister" der Bürger zu werden. "Natürlich ist es toll, dass man unmittelbar Dinge ändern und für Leute da sein kann, denen es nicht so gut geht" sagt Toni Vukan. Letztlich zählten die kleinen Dinge: "Wenn dir zum Beispiel auf der Straße Kinder zuwinken und herüberrufen ,Hallo, Herr Bürgermeister', dann bekommt man das schöne Gefühl, dass man doch einiges richtig gemacht hat." (Walter Müller, Agenda, 19.10.2019)

Vier Bürgermeister und ihre Gemeinden

Bernd Huber (39), Bürgermeister der Gemeinde Pfafflar, tirol
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Aufgerieben in der Rolle

Mit nur 23 Jahren wurde Bernd Huber Österreichs jüngster Bürgermeister. Das war 2004. Heute ist der 39-Jährige immer noch Ortsvorsteher der 100-Einwohner-Gemeinde Pfafflar im Tiroler Bschlabertal. Doch Huber mag nicht mehr. Er hat für den 18. November seinen Rücktritt angekündigt. Überbordende Bürokratie und die prekäre finanzielle Situation der Minigemeinde seien die Hauptprobleme, sagt der Bürgermeister. In seiner Rolle werde er aufgerieben. Aktuell sind es Baurechtsfragen, die ihm zu schaffen machen. Nimmt er die Vorschriften ernst, hat er die Bevölkerung – darunter viele Verwandte – zum Feind. Drückt er beide Augen zu, wie das unter seinen Vorgängern immer wieder Fall gewesen sei, riskiert er straf- und privatrechtliche Konsequenzen. "Keine Formfehler zu machen, ist selbst für G'studierte in großen Gemeinden schwierig", seufzt Huber. Ob er wirklich das Handtuch wirft, will er Anfang November entscheiden. (ars)

Annette Sohler (39), Bürgermeisterin der Gemeinde Lingenau, Vorarlberg
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Komplexe Vorschriften erschweren den Job

Es sei die Vielfalt, die ihren Job so schön und auch so schwer mache, sagt Annette Sohler (39). Die parteifreie Bürgermeisterin managt das 1500-Menschen-Dorf Lingenau im Bregenzerwald. Expertin in allen Bereichen sollte man sein. Geht nicht, meint sie. Umso wichtiger sei ein gutes Team, in der Verwaltung wie in der Gemeindevertretung. Und Bürgerinnen und Bürger, die Eigenverantwortung übernehmen, sich für das Gemeinwohl engagieren. Dieses Idealbild stören aber immer enger werdende Rahmenbedingungen und grassierender Egoismus. Stark unter Druck stünden Entscheidungsträger, sagt Annette Sohler, immer komplizierter und komplexer würden Gesetze und Vorschriften. "Und die Menschen immer pingeliger." Entscheidungen würden viel Mut erfordern. Annette Sohler wird im März nicht mehr kandidieren. Zehn Jahre war sie im Amt. Genug, um etwas umzusetzen, meint sie. Der Wechsel wird Dynamik bringen, und das sei gut so. (jub)

Andreas Babler (46), Bürgermeister der Gemeinde Traiskirchen, Niederösterreich
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Entscheidungen über Cents und Millionen

Andreas Babler (SPÖ) hat vor ein paar Monaten entschieden, 2020 wieder als Bürgermeister von Traiskirchen zu kandidieren. Er empfinde einfach Liebe für seine Stadt. Der Job, den er seit 2014 macht, sei aber nicht immer einfach. 200 bis 300 Unterschriften am Tag habe er zu leisten, dabei entscheide er über Beträge von 90 Cent bis zu mehreren Millionen Euro. Das gehe nur mit den richtigen Fachkräften in der Verwaltung. "Vieles ist eine Frage der Kompetenz der Beratung und des eigenen Wissens", sagt der 46-jährige Ortschef der 18.000-Einwohner-Stadt. In kleineren Gemeinden hätten Bürgermeister aber keinen Verwaltungsapparat. Sie seien mit Haftungsfragen und politischen Aufgaben, zum Beispiel als Baubehörde, befasst, zusätzlich sollen sie viele Veranstaltungen besuchen. Kraft gebe ihm, wenn er in der Stadt unterwegs ist und Alt und Jung sein "Hallo" erwidern. (spri)

Elisabeth Feichtinger (32), Bürgermeisterin der Gemeinde Altmünster, Oberösterreich
Foto: Marius Krämer

Im Traumjob exponiert

Elisabeth Feichtinger hat nie eine klassische Parteikarriere durchlaufen. Und doch hat die 32-jährige Ortschefin von Altmünster, die zuletzt auch im Nationalrat war, schon für ordentlich Furore in der Partei gesorgt. In der gesamten Zweiten Republik gab es nämlich in der bürgerlichen Hochburg nur ÖVP-Bürgermeister. Bis sich 2015 dann Feichtinger den Chefsessel sicherte. Für die ausgebildete Lehrerin hat sich damit ein "Traumjob" aufgetan: "Was mir in beruflicher Hinsicht am wichtigsten ist, das sind Vielfalt, Abwechslungsreichtum, Kontakt zu Menschen und dass ich gefordert bin. All das sehe ich in meiner jetzigen Aufgabe verwirklicht." Aber selbst im schönen Salzkammergut scheint nicht immer die Sonne. Vor allem die rechtliche Situation sei mitunter heikel. Feichtinger: "Als Bürgermeisterin ist man in vielen Belangen haftbar. Mir ist kein weiterer Beruf bekannt, wo man in dieser Hinsicht derart exponiert ist." (mro)