Die Polizei hat bekanntgegeben, dass es sich bei den sechs Kindern auf dem Bauernhof um vier junge Frauen und ihre zwei Brüder handelt.

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Wollte Gerrit-Jan van D. seine eigene Sekte gründen? Hat der 67-jährige Niederländer dafür seine Kinder missbraucht und einer Gehirnwäsche unterzogen? Verschanzte er sich deshalb mit ihnen jahrelang auf einem abgelegenen Bauernhof – völlig unbemerkt von der Umgebung und unterstützt von Josef B., genannt de Oostenrijker?

Um diese Fragen dreht sich alles, nachdem die Polizei am Donnerstagabend bekanntgemacht hat, dass nach Josef B. nun auch Gerrit-Jan van D. zu den Verdächtigen zählt und deshalb verhaftet wurde – ebenfalls wegen Freiheitsberaubung und Misshandlung, aber obendrein wegen Geldwäsche, denn bei der Durchsuchung des Bauernhofs wurde eine Tasche mit großen Mengen an Bargeld entdeckt. Wie viel genau, ist unbekannt.

Kurzzeitig bei Moon-Sekte

Als sicher hingegen gilt inzwischen, dass Gerrit-Jan van D. in den 1980er-Jahren Mitglied der Moon-Sekte war, jener umstrittenen religiösen Bewegung, die inzwischen Vereinigungskirche heißt. Dort soll er Josef B. und dessen asiatische Frau kennengelernt haben. "Ich weiß, dass Gerrit-Jan in den 1980er-Jahren kurz bei uns aufgetaucht ist", bestätigte Wim Koetsier, Generalsekretär der niederländischen Moon-Bewegung am Donnerstagabend in der Late-Night-Talkshow "Pauw". Einer seiner Brüder sei noch immer Mitglied: "Gerrit-Jan hingegen verließ uns 1987 und ging nach Deutschland", so Koetsier weiter. "Ich denke, er hatte die Idee, selbst eine Bewegung zu gründen, so jedenfalls hatte es den Anschein."

Erklärung der Geschwister

Seitdem hat er jeglichen Kontakt zu Eltern und Geschwistern abgebrochen. Sie gingen davon aus, der Bruder sei verstorben. 2017, nach dem Tod der Mutter, hat die Familie noch einmal versucht, ihn mithilfe von zwei Notaren ausfindig zu machen. "Aber auch das verlief ergebnislos", so ließen Gerrit-Jans Geschwister in einer schriftlichen Presse-Erklärung wissen. Sie wurde auch von einem Sohn von ihm unterschrieben.

Denn, und auch das machte die Presseerklärung der Familie deutlich: Gerrit-Jan van D. hat mehr Kinder als die sechs, mit denen er auf dem Bauernhof lebte: Kurz vor dem Umzug nach Ruinerwold sei drei Kindern die Flucht gelungen. Sie nahmen daraufhin wieder Kontakt mit ihren Onkeln und Tanten auf. Gerrit-Jan van D. wohnte damals noch im 25 Kilometer entfernten Hasselt, zu seinen Nachbarn soll Josef B. gezählt haben.

Kinder nicht angemeldet

Die Polizei hat inzwischen bekanntgegeben, dass es sich bei den sechs Kindern auf dem Bauernhof um vier junge Frauen und ihre zwei Brüder handelt. Sie waren alle sechs, auch das steht inzwischen fest, nicht bei der Gemeinde angemeldet. Es konnte also auch nicht auffallen, dass sie nicht in der Schule erschienen. Ihr genaues Alter ist unbekannt. "Es muss auch noch geklärt werden, ob sie wirklich Geschwister sind", so Janny Knol, Vizechefin der Polizei von Noord-Nederland, am Donnerstagabend. Jedenfalls würden die Kinder ganz normal Niederländisch sprechen.

Sie lebten nicht in einem Kellerversteck, auch das hat die Polizei bekanntgemacht, sondern in einem großen abschließbaren Raum mit Tageslicht, der in viele Nischen eingeteilt war. Ihr Vater Gerrit-Jan, wenn er es denn ist, hatte tatsächlich einen Schlaganfall erlitten, auch das bestätigte die Polizei. Aber er könne verhört werden. Und er hat offensichtlich dennoch genug Macht über die sechs jungen Menschen ausüben können. "Wir sind da auf eine sehr ungewöhnliche Situation gestoßen", so Vizepolizeichefin Knol. "Einerseits konnten sich die Kinder auf dem Hof zwar frei bewegen, andererseits: Auf die eine oder andere Weise war da deutlich etwas zwischen Vater und Kindern." (Kerstin Schweighöfer, 18.10.2019)