Um 15 Uhr sind Gerhard Ströck und seine Frau Gabriele schon viele Stunden auf den Beinen. Ruhig sitzen ist seine Sache nicht. "Ist immer so", sagt sie, im Betrieb "Frau Gaby" gerufen. Er kann über Enzyme, Teigführung und Kühltechnik endlos reden. Leider muss er früher weg, zum Kirtag in Stadlau. Der Bürgermeister hat sich angesagt. Seine Frau weiß, was in den Filialen gefragt ist und warum das eine Brot acht Euro kostet, das andere ein Viertel so viel.

STANDARD: Auszeichnungen, Zertifikate, eine Ziehharmonika, Steine, Sie haben ein buntes Büro. Was steht auf dem japanischen Plakat?

Gerhard Ströck: Lieber Bäcker Ströck, wir sind glücklich, dich zu kennen. Du machst das beste Brot in Österreich. Mach weiter so.

STANDARD: Sie scherzen ...

Gerhard: Wirklich, das steht da.

Gabriele Ströck: Wir hoffen es zumindest ... (lacht).

Gabriele und Gerhard Ströck am Firmensitz in Stadlau. Er kümmert sich darum, dass die Produktion von Brot und Gebäck läuft, sie sorgt gemeinsam mit Schwägerin Irene dafür, dass der Verkauf floriert. Gemeinsam mit dem Nachwuchs tüftelt man an neuen Ideen.
Robert Newald

STANDARD: Sie haben das Familienimperium gemeinsam aufgebaut. Bruder und Schwägerin sind an Bord, der Nachwuchs redet auch mit. Wer sagt, wo es langgeht?

Gabriele: Mein Mann ist in erster Linie das Hirn der Produktion, ist Bäckermeister und Techniker.

Gerhard: Ins Filialgeschäft mische ich mich überhaupt nicht ein. Das gehört der Frau und der Schwägerin. Das ist seit gut zehn Jahren so. Denn wenn ich etwas gesagt habe, habe ich immer daheim einen Wickel gehabt.

STANDARD: Wie lange dauert es, bis Ideen umgesetzt werden, wenn sechs Leute am Tisch sitzen?

Gerhard: Mitunter drei Jahre. Ein Beispiel: Die alten Leute sagen: Euer Brot war früher besser. Inzwischen wissen wir, dass es früher besser war, weil sich Roggen und Weizen verändert haben. Durch Züchtungen, Kreuzungen entstanden neue Saaten, die robuster und stärker sind, aber schlechter zum Brot backen.

Brot ist nicht gleich Brot. Soviel weiß jeder. Vor allem die jungen Menschen interessieren sich heute wieder sehr dafür, was dahinter steckt, sagen die Ströcks.
Foto: Ströck

STANDARD: Da sind Sie ja dann aus dem Schneider.

Gerhard: Das belastet mich, ich bin seit 46 Jahren Bäcker. Wir sind bekannt geworden durch unser Brot. Wir haben nachgeschaut, welche Saaten früher verwendet worden sind, und sind auf den Schlägler Roggen gestoßen. Wir haben auch Bauern gefunden, die ihn anbauen und schon geerntet haben. Wir haben jetzt eine Brotsorte damit produziert, das Brot ist top. Aber wir können die Landwirtschaft nicht mehr verändern. Denen ist das wurscht, ob das Brot gut ist oder nicht. Da hast du kein Gehör, du bist viel zu klein. Die Bauern sollen umdenken, nicht jammern.

STANDARD: Stichwort Jammern: Sie haben einmal gesagt, dass 30 Prozent der Bäckereien hart an der Gewinn-Verlust-Grenze backen. Trotzdem machen immer mehr Hipsterbäcker auf, das Ströck Feierabend zähle ich dazu. So schlecht kann das Geschäft nicht laufen.

Gerhard: Mit der Bäckerei kann man Geld verdienen, wenn man es richtig macht. Bäcker, die es verschlafen, auf Innovation zu setzen, in Kühltechnik zu investieren, haben heute keine Chance.

STANDARD: Worum geht es bei einem Ströck Feierabend?

Gabriele: Eine Idee unserer Söhne.

STANDARD: Die Sie sofort unterstützt haben?

Gerhard: Ja natürlich. Sollen sie bitte sofort machen. Wenn du der Jugend keine Kraft gibst, ihre Gedanken umzusetzen, wann sollen sie reif werden?

Viel leichter sei es ein neues Produkt einzulisten, als sich von Dingen zu trennen. Die Handsemmel stand etwa schon auf der Abschussliste. Jetzt hat sie gegenüber der Maschinen-Semmel wieder an Beliebtheit gewonnen.
Foto: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

STANDARD: Wenn Papa und Mama zahlen, ist es ja leicht, oder haben die Burschen das selbst verantwortet?

Gerhard: Wir haben die Kohle zur Verfügung gestellt und haben immer noch das Sagen. Das Feierabend hat uns zehn Prozent neue Kundenschichten gebracht, gut gebildete und verdienende Menschen. Wir waren ja schon unglaubwürdig als Konzern Ströck.

Gabriele: Unsere Größe ist genau das, wo jeder sagt: Na, der kann das ja eigentlich gar nicht so machen. Als Großer kannst du schwer argumentieren, dass du auf Handwerk setzt, auch wenn es so ist.

STANDARD: Das Gastronomiegeschäft birgt aber doch noch ganz andere Herausforderungen.

Gerhard: Na grundsätzlich ist Österreich zu billig. Die Lebensmittel werden verschenkt.

STANDARD: Die Preise sind EU-weit überdurchschnittlich hoch.

Gerhard: Im internationalen Vergleich sind sie immer noch niedrig. Wenn Sie beim Wirt um 8,90 Euro ein Menü bekommen, Suppe, Schnitzel und Nachspeise, dann stimmt etwas nicht.

STANDARD: Ich kann acht Euro für ein Kilo Brot ausgeben oder zwei. Als Sie vor 46 Jahren angefangen haben, hat das Brot acht Schilling gekostet. Wie erklären Sie Konsumenten den Wert des Brots?

Vor zwanzig Jahren war eine Preiserhöhung eine Katastrophe, sagt Gerhard Ströck. Das interessiert heute keinen Menschen mehr. Über Bäckermehl könnte er wohl stundenlang referieren.
Robert Newald

Gabriele: Wir haben den Rohstoff, dann die Verarbeitung. Das Ding braucht Zeit. Es muss jedem klar sein, dass Zeit Geld kostet. Was jeder versteht: Bekömmlichkeit tut gut. Ein langzeitgeführtes Sauerteigbrot ist sicher verträglicher als etwas anderes.

STANDARD: Es heißt, am Brot verdient der Bäcker am meisten, da gibt die Maschine den Takt an. Wie verdient man die Butter aufs Brot?

Gabriele: Bei Kaffee ist eine gute Spanne dabei. Bei Gebäck, bei dem du hohe Material- und Personalkosten in der Produktion hast, wird es mühsam. Es ist dasselbe wie in der Gastronomie. Du kannst noch so aufwendig kochen, wenn der Gast nicht sein Wasser und seinen Wein trinkt, hast du ein Problem.

STANDARD: Was bedeuten Umbrüche wie zum Beispiel die Backshops beim Diskonter?

Gerhard: Brot ist damals deutlich zurückgegangen, Gebäck hält sich.

Gabriele: Dass jemand ein ganzes Kilo Brot kauft, passiert am Wochenende. Es gibt aber immer noch Brotfilialen, das sind die Märkte. Am Viktor-Adler-Markt verkaufen sich auch Feierabend-Produkte. Die Leute haben beim Brot schon ein Qualitätsbewusstsein in Österreich. Es muss nicht der erste Bezirk sein. In manchen Bezirken ist der Bäcker ein Grätzelthema. Die Filiale in Gerasdorf kann man nicht mit der Innenstadt vergleichen. Da viele Touristen, dort die Wohnbevölkerung, die ins Kaffeehaus gehen will.

STANDARD: Da hatte es die Mutter einst im Verkauf wohl leichter?

Gerhard: Da hat es vier, fünf Brotsorten gegeben, zehn Gebäcksorten. Ab Donnerstag Striezel, Golatsche, Krapfen im Winter und Nusskipferln. Das war's. Bei uns in Stadlau war das bis in die 1980er-Jahre Standard. Und der Bäcker hat auch gelebt.

STANDARD:Wie preissensibel ist der Kunde?

Gerhard: Vor zwanzig Jahren war eine Preiserhöhung eine Katastrophe. Da haben sie uns genamelt. Das interessiert heute keinen Menschen mehr.

STANDARD: Trotzdem haben Sie sich vor Jahren gegen einen Industrie-KV gewehrt, wie andere Großbäcker auch. Wo ist das Problem?

Ein Familienbetrieb, wo so viele Mitglieder mitreden, wie funktioniert das? Durch viel Disziplin sagt Gabriele Ströck.
Robert Newald

Gabriele: Es würde eben für die Konsumenten teurer. Es geht ja nicht darum, wie groß eine Firma ist, sondern wie man erzeugt. In der Nacht wurlt es vor Menschen.

STANDARD: Die wenig verdienen.

Gabriele: In der Produktion verdient man durch Nachtzuschläge gut, bis zu 3000 Euro und mehr. Im Verkauf gebe ich Ihnen recht, da verdient man 1550 aufwärts. Auf der anderen Seite nehmen wir auch Leute, die nichts gelernt haben, Studenten, die etwas dazuverdienen wollen. Wenn es diese Art von Jobs nicht mehr gibt, was sollen die Leute machen? Ist ein Grundeinkommen die Lösung? Ich weiß es nicht.

STANDARD: Sie könnten doch sicher viel mehr automatisieren.

Gabriele: Wir könnten, keine Frage. Aber das wollen wir nicht.

STANDARD: Fachkräfte finden Sie?

Gabriele: Lehrlinge zu finden ist nicht das Problem. Geeignete Lehrlinge schon eher. Bei Elektrikern, EDV-Spezialisten, Technikern knirscht es wirklich. Das hat auch damit zu tun, dass das Handwerk lange nicht diesen Stellenwert hatte. Es wurde immer gepredigt, wir haben zu wenige Akademiker. Wenn du heute als Installateur einen Betrieb aufmachst, brauchst du kein Akademiker zu sein. Such einen Magister, da gibt es hunderte, aber finde einmal einen gescheiten Installateur. (Regina Bruckner)