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Für Ursula von der Leyen war es der erste EU-Gipfel, für Donald Tusk möglicherweise der letzte.

Foto: Reuters / Toby Melville

Der 1. November 2019 hat es für die Europäische Union in sich. Nicht nur sollte an diesem Tag die Mitgliedschaft von Großbritannien beendet und in einer Übergangszeit bis Ende 2020 umgesetzt werden – ganz so, wie es die Staats- und Regierungschefs Donnerstag beim EU-Gipfel mit Premier Boris Johnson in einem erneuerten Deal vereinbart haben.

Am 1. November hätte auch das neue Team der EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen offiziell ihre Arbeit aufnehmen sollen. Die Deutsche war zum ersten Mal bei einem Gipfel eingeladen, saß neben ihrem Vorgänger Jean-Claude Juncker und präsentierte den Regierungschefs ihre Vorstellungen. Sie plädierte dafür, dass diese beim geplanten EU-Budgetrahmen bis zum Jahr 2027 neue Wege beschreiten sollten.

Es müsse deutlich mehr Geld und Schwerpunkte bei Klimapolitik und Digitalisierung geben – ganz im Sinne der Vorschläge der Kommission, die eine Anhebung der EU-Beiträge auf 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) forderte. Die Vertreter der Staaten nahmen dies zur Kenntnis, ohne auch nur im Geringsten konkrete Zusagen zu machen.

Die Staaten sind in Sachen Beiträge uneins. Viele Nettozahler wollen den Gürtel enger schnallen – voran Österreich, Schweden und Dänemark. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein erklärte, dass Österreich nach wie vor darauf bestehe, dass es nur ein Prozent des BNE sein darf, weil die Union durch den Brexit kleiner werde.

Ablehnung erwartet

Trügerisch: Die Briten sind ein großer Nettozahler. Die von der finnischen Ratspräsidentschaft erhoffte Annäherung in Budgetfragen war ohnehin illusorisch. Am Freitag mussten die Regierungschefs damit rechnen, dass der Brexit-Deal im Unterhaus am Samstag neuerlich abgelehnt wird, der 1. November nicht hält.

Und von der Leyens Team ist nicht startbereit. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat noch immer keinen Ersatz für die gescheiterte Kandidatin als Binnenmarktkommissarin, Sylvie Goulard, nominiert. Die Wahl der neuen Kommission wird im Plenum des EU-Parlaments daher im November stattfinden. Juncker, der sich bei einer Pressekonferenz sehr emotional verabschiedete ("Ich werde bis ans Ende meines Lebens stolz sein, Europa gedient zu haben"), muss weitermachen.

Sollte der Brexit in London erneut scheitern, würde sich ein weiterer Sondergipfel Ende Oktober damit beschäftigen. Es gilt als wahrscheinlich, dass die EU-27 einen chaotischen EU-Austritt am 1. November verhindern werden, den Brexit erneut aufschieben.

Die Regierungschefs rechnen damit, dass es dann in Großbritannien zu Neuwahlen oder sogar zu einem neuen Referendum kommt.

Tusk und Juncker enttäuscht

Wichtige andere politische Fragen sind daher in der Warteschleife, auch das weitere Vorgehen bei der EU-Erweiterung. Über die Blockade der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien wurde Donnerstagnacht stundenlang gestritten. Frankreich, die Niederlande und Dänemark beharrten auf ihrer harten Haltung: keine EU-Erweiterung mehr vor internen Reformen. Tusk und Juncker zeigten sich darüber "tief enttäuscht". Es sei "ein schwerer historischer Irrtum", denn die beiden Kandidatenländer seien bereit. Tusk machte Hoffnung, dass es im Mai 2020 zum Beschluss kommt.

Zumindest ein Wechsel am 1. November ist sicher: Christine Lagarde löst Mario Draghi als Chef der Zentralbank ab. (Thomas Mayer aus Brüssel, 18.10.2019)