Vor sechs Jahren schickte das niederländische Unternehmen Fairphone sein erstes, gleichnamiges Smartphone auf den Markt. Fast 50.000 Menschen bestellten das Handy, das in zwei Chargen ausgeliefert wurde, vor, und auch die verbliebenen 12.000 Stück fanden ihre Käufer. Während man für verschiedene Initiativen zur ethischen Gewinnung von Rohstoffen bis hin zu besserer Bezahlung und Mitsprache für Fertigungsmitarbeiter gelobt wurde, lief technisch so manches nicht rund. Die Kamera des ersten Fairphones bot schon für damalige Verhältnisse eher enttäuschende Resultate, und entgegen den ursprünglichen Plänen blieb das Handy bei seiner Auslieferversion von Android, damals 4.2, "stecken".

Vor kurzem hat Fairphone die nunmehr dritte Ausgabe des Telefons vorgestellt. Das Gerät lässt sich für 450 Euro auf der Website der Firma vorbestellen und soll ab Mitte November ausgeliefert werden. Der STANDARD konnte das neue Smartphone mit Ethikfaktor aber bereits testen.

Foto: DER STANDARD/Pichler (CC BY NC SA 4.0)
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Kein Konkurrent für Honor und Co

Eines vorweg: Wer um den Preis ein Handy erwartet, das mit günstigen Flaggschiffen wie dem Honor 20 oder dem kürzlich vorgestellten Realme X2 Pro mithalten kann, wird unweigerlich enttäuscht werden. Das Fairphone 3 spielt mit seinen Spezifikationen in der Mittelklasse. Was am Spezifikationszettel fehlt, soll es aber mit anderen Qualitäten wiedergutmachen.

Da wären einerseits Materialien wie Gold und Wolfram, die man aus Minen bezieht, die vertretbare Arbeitsbedingungen bieten und keine Kinder beschäftigen und die zudem eine kontrollierte Lieferkette über die Verarbeitung bis hin zur Fertigung durchlaufen. Dazu kommen recycelter Kunststoff und wiederverwendetes Kupfer.

Oder eine Partnerschaft mit dem taiwanischen Fertiger Arima, mit dem man den Mitarbeitern am chinesischen Produktionsstandort die demokratische Wahl von Interessenvertretern aus den eigenen Reihen ermöglicht, verschiedene Trainings anbietet, mehr Ressourcen für die Kantine zur Verfügung stellt und einen Bonus für die Herstellung von Fairphones ausschüttet. Dazu nimmt man Altgeräte zum Recycling entgegen, hat den First-Level-Kundensupport vor wenigen Monaten in die Amsterdamer Firmenzentrale verlagert und unterstützt verschiedene Projekte, etwa gegen Elektromüllhalden in Ghana.

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Design aus der "guten alten Zeit"

Abseits dieser für Käufer immateriellen Werte soll das Fairphone 3 sehr robust, vor allem aber modular und leicht reparierbar sein. Heißt: Der Akku lässt sich einfach tauschen, indem man die Rückseite abnimmt. Das Gerät hat zwei Nano-SIM-Slots und einen zusätzlichen Micro-SD-Slot zur Speichererweiterung. Und die bedeutendsten Komponenten können auch selbst getauscht werden, ohne dafür Spezialwerkzeug oder großes handwerkliches Geschick zu benötigen.

Dieser Aufbau hat freilich Auswirkungen auf die Ästhetik des Fairphone 3. Es wirkt nämlich – und das ist nicht wertend zu verstehen – ziemlich aus der Zeit gefallen. Viele neue Smartphones kommen in einem schlanken Gehäuse aus Glas und Metall. Und die Hersteller liefern sich scheinbar einen Wettlauf darum, wer die dünnsten Seitenränder hinbekommt. Was am Ende meist sehr schick aussieht, ist allerdings schwer zu reparieren. An selbstständigen Akkutausch oder gar den Ersatz anderer Komponenten ist für viele Nutzer gar nicht erst zu denken.

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Und so zeigt sich das Fairphone 3, äußerlich komplett aus Kunststoff gefertigt, mit voluminösem "Kinn" und "Lippe". Damit bietet es die Ästhetik von Smartphones von vor fünf Jahren.

Nein, subjektiv betrachtet ist es nicht das schönste Handy am Markt. Mit 158 x 71,8 x 9,9 Millimeter ist es auch nicht besonders klein. Es liegt dennoch gut in der Hand, aus ergonomischer Sicht muss man jedoch die Platzierung von Einschalttaste und Lautstärkereglern sowie dem rückseitigen Fingerabdruckscanner (der übrigens recht flott und zuverlässig arbeitet) kritisieren. Diese sind recht weit oben angebracht, was unweigerlich Fingerakrobatik erfordert, wenn man sie bedienen will.

Innere Werte

Zählen sollen aber vor allem die inneren Werte. Die lassen sich auch einfach selbst betrachten. Nach der Entfernung von Rückseite und Akku sind 14 kleine Schrauben zu lösen, ehe man mit etwas Nachdruck die Bildschirmeinheit vom Rest der Hardware trennt. Neben diesem gibt es mehrere Module, darunter etwa für die Hauptkamera oder Frontkamera und Ohrhörer, die ebenfalls angeschraubt sind und sich leicht tauschen lassen. Der Nachteil dieser Bauweise ist, dass das Handy nicht als wasserdicht ausgezeichnet ist.

Ein passender Kreuzschlitzschraubenzieher für die Zerlegung liegt dem Fairphone 3 bei. Ladegerät und USB-C-Kabel muss man hingegen separat besorgen, so man nicht ohnehin schon – wie viele Nutzer – eines hat.

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Spezifikationen

Doch nun zum Technischen. Das Fairphone 3 setzt auf ein im Vergleich zu vielen anderen aktuellen Handys fast schon kleines Display mit 5,65 Zoll Diagonale. Die Auflösung liegt bei 2.160 x 1.080 Pixel (Format 18:9). Es handelt sich um ein LCD-Panel mit guter Farbwiedergabe und Kontrasten, auch wenn es mit den immer beliebteren AMOLED-Displays in dieser Beziehung nicht mithalten kann.

Darunter kommt ein Snapdragon 632 als Leistungsbringer zum Einsatz, der auf eine Achtkern-CPU zurückgreift, die mit bis zu 1,8 GHz taktet. Ihr stehen vier GB RAM zur Seite. Der interne Speicher bietet eine Kapazität von 64 GB und ist, wie erwähnt, per Micro-SD-Karte erweiterbar. In puncto Konnektivität liefert man übliche Standardkost in Form von ac-WLAN, Bluetooth 5.0, NFC und LTE (Cat. 13, bis zu 300 Mbit/s Download und 150 Mbit/s Upload).

Ins Zeitalter der Multikamera-Module ist das Fairphone noch nicht vorgestoßen. Es bietet eine 12-Megapixel-Hauptkamera und eine Selfie-Cam mit 8 MP. Der Akku kommt auf eine Kapazität von 3.000 mAh. Vorinstalliert ist eine weitgehend unveränderte Version von Android 9.

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Kein Gaming-Handy

In Benchmarks ordnet sich das Fairphone 3 dort ein, wo man es ungefähr erwarten würde, nämlich im unteren Mittelfeld. Heißt: Für Browsern, Messenger, Multimedia und die meisten Spiele ist genug Leistung vorhanden. Anspruchsvollere 3D-Grafik zwingt das Handy allerdings schnell in die Knie. Schon bei Augmented-Reality-3D-Szenen, die sich etwa in Harry Potter: Wizards Unite zeigen, wird das sonst flüssige Spielgeschehen zu einer unbedienbaren Ruckelpartie. Wer ein "Gaming-Smartphone" sucht, sollte um das Fairphone einen Bogen machen.

Alle in puncto Performance niedrigeren Ansprüche bewältigt das Telefon solide. Die Systemoberfläche lässt sich ohne Ruckeln bedienen. Apps starten ausreichend flott. Einzig bei heftigem Multitasking mit vielen parallel geöffneten Programmen kann das Telefon ins Stottern kommen.

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Guter Kamerasensor, aber Kamera-App mit Schwächen

Eine Schwäche nicht nur der ersten, sondern auch der zweiten Fairphone-Generation war die Kamera. Dem ist man bei der Entwicklung des dritten Modells mit einer klugen Sensorwahl begegnet. Als Hauptkamera kommt Sonys IMX363-Sensor zum Einsatz, der von einem Dual-LED-Blitz sowie traditionellem und Phase-Detection-Autofokus gestützt wird. Für diesen Kamerachip hat sich auch Google beim Pixel 3 und Pixel 3a entschieden. Auf Extras wie einen hybriden Zoom oder Augmented-Reality-Gimmicks muss man verzichten, das neue Fairphone deckt hier die Basics – normale Fotos, Porträts, Panorma, manueller Modus – ab.

Allerdings weiß Google sich deutlich besser zu behelfen, wenn es um die automatischen Aufnahmeeinstellungen und das Postprocessing geht. Unter Tageslicht gelingen mit dem Fairphone 3 durchaus ansehnliche Fotos. Sie fallen tendenziell etwas dunkel aus, bieten aber einen passablen Detailgrad. Die Farbdarstellung ist realistisch, auf intensive Nachfärbungen verzichtet die Kamera-App. Probleme – in Form von artefaktartigem Rauschen – gibt es bei einfärbigen Flächen in Randbereichen, beispielsweise Himmelsabschnitten.

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Schwierig wird es, wenn das Sonnenlicht schwindet. Bei hellem Kunstlicht ist die Fotoqualität immer noch zufriedenstellend, wenngleich Farben tendenziell etwas blasser erscheinen und die Bildschärfe etwas unter der – im Gegensatz zu den Pixel-Handys – fehlenden optischen Bildstabilisierung leidet. Wird es dunkler, dauert das Fokussieren von Motiven allerdings recht lange, Kantenschärfe und Detaildarstellung beginnen stark unter der Rauschunterdrückung zu leiden.

Google Camera hilft

Insgesamt operiert die Kamera deutlich unter dem Potenzial ihrer Hardware. Das wird deutlich, wenn man einen Port der Google-Camera-App auf dem Fairphone 3 installiert. Konkret verwendet wurde ein eigentlich für das Pocophone F1 und andere Xiaomi-Handys erstellte Version des Entwicklers "san1ty", die auch auf dem Fairphone 3 läuft (Version 9.5, basierend auf der Google Camera 6.2). Wenngleich auch diese nicht ganz ohne Schwächen arbeitet und seltsamerweise größere Probleme mit Gegenlicht hat, gelingen deutlich bessere Abendfotos. Und auch das Artefaktproblem tritt nicht auf.

Insofern bleibt zu hoffen, dass Fairphone die vorinstallierte Kamera-App in künftigen Softwareupdates nachrüstet. Die Frontkamera liefert überdurchschnittliche Qualität, hat aber im Porträtmodus ihre liebe Mühe mit der Kantenerkennung.

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Android ohne Bloatware

Die Firmware am Fairphone 3 bietet eine ziemlich "pure" Android-Erfahrung. Vorinstalliert sind lediglich der Play Store und einige Google-Services. Für das Fairphone 2 hatte man eine Variante namens "Fairphone Open" bereitgestellt, die auch komplett ohne Google-Komponenten auskam. Diese gibt es für das neue Handy noch nicht. Laut Hersteller wird noch evaluiert, ob man eine solche Firmware anbieten wird.

Abzuwarten bleibt, wie es in der Zukunft mit Softwareupdates weitergeht. Nicht ganz verständlich ist, warum das Fairphone nicht mit Android One ausgeliefert wird, was Nutzern Versionsupdates für mindestens zwei Jahre und monatliche Sicherheitsupdates und Bugfixes für drei Jahre bringen würde. Ein Rhythmus, den Fairphone bei seinem zweiten Handy jedenfalls nicht geboten hat: Hier veröffentlichte man im Schnitt alle paar Monate Aktualisierungen, und Versionsupdates – das Fairphone 2 wurde von Android 5 auf Android 7.1 gebracht – kamen mit deutlicher Verspätung. Unterstützen will man das Fairphone 3 softwareseitig jedenfalls fünf Jahre lang und damit deutlich länger als andere Hersteller.

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Akustik und Akku

Durchschnittlich zeigt sich das Fairphone 3 auch, was seine Akustik angeht. Der, originellerweise seitlich angebrachte, Mono-Lautsprecher liefert für seine Verhältnisse "okayen" und recht lauten Output, der natürlich qualitativ sonst eher zweckmäßig klingt. "Zweckmäßig" ist auch eine treffende Beschreibung für die Sprachqualität. Anrufer und Gesprächspartner hören sich gegenseitig mit etwas verzerrtem Klang samt metallischem Unterton, aber laut genug, um sich trotzdem gut zu verstehen. Dazu leistet die Rauschunterdrückung gute Arbeit. Freuen dürfen sich Besitzer konventioneller Kopfhörer. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern hält man bei Fairphone an der 3,5-mm-Buchse fest.

Der Akku ist mit 3.000 mAh nach heutigen Verhältnissen nicht sonderlich großzügig dimensioniert. Allerdings zeigt sich die Hardware des Telefons sparsam genug, um trotzdem auch als Intensivnutzer gut über den Tag zu kommen. Wer nicht so häufig zum Handy greift, sollte auch anderthalb bis zwei Tage auskommen können. Auf eine Schnellladefunktion muss man allerdings verzichten. Fairphone gibt die Ladezeit für einen komplett leeren Akku mit dreieinhalb Stunden an, was auch der Erfahrung in der Praxis entspricht.

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Fazit

Nach einem Handy der Einsteigerklasse und einem High-End-Gerät probiert es Fairphone nun in der Mittelklasse. In Sachen Hardware liefert man ein Gerät im Design der "guten alten Zeiten", das keine echten Stärken, aber auch keine echten Schwächen hat. Die Kamera stellt immerhin einen deutlichen Fortschritt zu den ersten Generationen dar, die in dieser Hinsicht eher enttäuschend waren.

Man bekommt außerdem ein bloatwarefreies System, das fünf Jahre unterstützt werden soll, aber vor allem auch ein Gerät, das mit seiner Modularität punktet. Sollte irgendwann der Akku nachlassen, kann er unproblematisch getauscht werden. Droht der Speicher knapp zu werden, kann man per Speicherkarte aufrüsten, ohne dafür einen SIM-Slot opfern zu müssen. Und bei vielen Schäden und Defekten kann man selbst Hand anlegen und die entsprechende Hardware tauschen. Hervorzuheben ist hier die einfache Entfernung des Bildschirmmoduls, zumal Displayschäden wohl mit Abstand die häufigste Folge eines schwerkraftbedingten "Hoppalas" sind.

Gerade in einer Ära, in der nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, um den von der Menschheit angekurbelten Klimawandel noch auf ein überschaubares Maß zu bremsen, und auch soziale Gerechtigkeit immer stärker zum Thema wird, sollten die immateriellen Werte des Handys nicht unbeachtet bleiben. Ob diese Pluspunkte eines technisch sonst unspektakulären Smartphones den Kaufpreis rechtfertigen, muss letztlich jeder selbst entscheiden. Wer ein Mobiltelefon sucht, das übliche Alltagsansprüche erfüllen soll, und dieses jahrelang verwenden will, ohne dem Reiz eines Upgrades auf ein aktuelleres Gerät zu erliegen, wird am Fairphone 3 jedenfalls nicht vorbeikommen. (Georg Pichler, 31.10.2019)

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