Ob in Mailand wie hier zur Expo oder in Manhattan: Künstlerin Agnes Denes pflanzt gern Weizenfelder.

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Ein Pinguin sitzt auf einer schmelzenden Eisscholle, Plastikflaschen rinnen aus einem Wasserhahn, und immer wieder begegnet einem der strafende Blick von Greta Thunberg. Unter dem Hashtag art4climate finden sich Bilder von Kunstaktionen, Hobbyfotos und Protestprojekten, die vor dem Klimawandel warnen. "No future on a dead planet" steht da in einem apokalyptischen Comic.

Die Erde brennt oder hat ihre Koffer gepackt. Das hat auch die Kunstszene verstanden, die sich – auch abseits von Instagram – zunehmend mit Klimakunst beschäftigt. Mit dokumentarischen Fotografien, Kunstinstallationen und kritischen Performances machen Kunstschaffende in internationalen Einrichtungen auf das größte Problem unserer Zeit aufmerksam.

Dass es sich dabei um keine neue Idee handelt, zeigen auch aktuelle Ausstellungen zu einer Kunstform, die Ende der 60er -Jahre in den USA entstand, den Kunstbetrieb kritisierte und mit natürlichen Ressourcen und in der Natur selbst arbeitete. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Land-Art (die nun gängige Bezeichnung entstand 1969) widmet das New Yorker Museum The Shed der Künstlerin Agnes Denes ab Oktober eine umfassende Retrospektive.

Kritik am Konsum

Für ihre bekannteste Arbeit Wheatfield – A Confrontation pflanzte sie 1982 ein circa 8000 Quadratmeter großes Weizenfeld mitten in Manhattan. Es war zum einen ein ökologisches Kunstwerk, das da plötzlich vor der Skyline wucherte, vielmehr aber war es ein politisches Statement, eine Kritik an der Konsumgesellschaft und den dadurch verursachten Umweltproblemen. Der geerntete Weizen reiste dann in 28 Länder, um dort Neues pflanzen zu können. Die Botschaft: Kunst schafft Bewusstsein.

Genau diese großen Aktionen sind es, die auch – und vor allem – heute Aufsehen erregen: So ließ der isländisch-dänische Künstler Ólafur Elíasson vergangenes Jahr 122 Tonnen Eis aus Grönland nach London bringen und wochenlang vor sich hin schmelzen – bis es weg war. So füllten die drei Künstlerinnen Rugilė Barzdžiukaitė, Vaiva Grainytė und Lina Lapelyté für den litauischen Pavillon auf der diesjährigen Biennale in Venedig ein Lagerhaus mit Sand und verwandelten es in eine überfüllte Strandszene. Und so pflanzte der Schweizer Künstler Klaus Littmann Anfang September für For Forest 299 Bäume in das Wörthersee Stadion in Klagenfurt.

Alles beeindruckende Kunstinstallationen, die auf akute Probleme hinweisen. Sie heben ihre Zeigefinger und rufen: Unsere Gletscher schmelzen! Der Massentourismus zerstört unser Klima! Unsere Wälder verschwinden!

Zeigefinger – auf sich selbst

Allerdings könnten sie ihre Zeigefinger auch auf sich selbst richten. Denn wie hat Elíasson die überdimensionalen Eisblöcke nach London gebracht? Wie würde die Biennale ohne den Andrang kunsthungriger Touristen aussehen? Und wieso kamen die Bäume des Littmann’schen Waldes nicht aus der heimischen Region, sondern aus Italien, Deutschland und Belgien?

Zwar setzte Ólafur Elíasson auf die schonendere Variante des Schiffstransports, dennoch verursachte die Reise der Eisblöcke rund 35 Tonnen CO2. Und wie sind die Weizenportionen von Agnes Denes vor 37 Jahren eigentlich gereist? Am Ende stellen die Klimakunstinstallationen ein Problem an den Pranger, zu dem sie selbst beitragen. Kann man einer klimaschädlichen Klimakunst trauen?

Mit dem Vorwurf der Doppelmoral werden Kunsteinrichtungen zunehmend konfrontiert. Denn politisch aufzuschreien, dies aber nicht nachhaltig zu tun, hinterlässt schnell einen bitteren Beigeschmack der Scheinheiligkeit: Gilt die Kunstbranche mit ihren riesigen Ausstellungshäusern, dem damit verbundenen hohen Energieverbrauch, den aufwendigen Kunsttransporten und zahlreichen internationalen Flugreisen zu Kunstmessen nach Miami, zu italienischen Biennalen und kurzen Galeriewochenenden in Berlin nicht selbst als extremer Klimafeind?

Klimanotstand in Museen

Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das für die Kunstwelt haben kann. Gar keine internationale Kunst mehr auszustellen wäre im künstlerischen und konsumorientierten Interesse der Einrichtungen wohl keine sinnvolle Lösung. So versuchen Ausstellungshäuser mit kleineren Maßnahmen ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Allen voran rief die Londoner Tate Modern diesen Sommer den Klimanotstand für das eigene Haus aus. Ab jetzt soll es mit grünem Strom betrieben werden, um die eigenen CO2-Emissionen bis 2023 um zehn Prozent zu reduzieren. Sogar weniger reisen sollen die Mitarbeiter. Neben der aktuellen Ausstellung von Ólafur Elíasson, die noch bis Anfang 2020 läuft, bekocht das Studio des Künstlers das Restaurant des Museums mit vegetarischen Gerichten, und im Museumsshop sind seine nachhaltigen Merchandising-Produkte käuflich zu erwerben. Saisonale Salate und Stoffbeutel beruhigen die erhobenen Zeigefinger – und das Gewissen.

Dass es dem Museum mit Aktionen wie diesen aber weniger um die Rettung des Klimas und eher um das Anlocken großer Menschenmassen geht, lässt den bitteren Beigeschmack einfach nicht verschwinden. (Katharina Rustler, 21.10.2019)