Unzählige Tonnen genießbarer Lebensmittel landen jährlich im Müll. Ein dänisches Start-up hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Seit Ende August gibt es eine Zweigstelle in Österreich.

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Eine Banane, die schon ein paar braune Flecken bekommen hat, ein Joghurt, das bereits das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat oder ein Karfiol, der in der Ecke des Kühlschranks neue Lebensformen entwickelt: In Österreichs Haushalten landen jährlich 157.000 Tonnen Lebensmittel im Müll – obwohl viele davon noch genießbar wären. Ganze 40 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel gehen einer EU-Studie zufolge auf Privathaushalte zurück, 40 Prozent landen beim Hersteller in der Tonne – der Rest entsteht in der Gastronomie und in Supermärkten.

Jenes Fünftel der Lebensmittelabfälle zu vermeiden, daraus hat das dänische Start-up Too Good To Go ein Geschäftsmodell gemacht. Immerhin ist der Löwenanteil der Lebensmittel, die in Restaurants oder Bäckereien nach Geschäftsschluss im Müll landen, noch genießbar. Über eine Smartphone-App können beteiligte Betriebe Lebensmittel verkaufen, die sie sonst als Retoure zurückschicken oder wegwerfen würden.

140 Partnerbetriebe in Wien

Too Good To Go gibt es mittlerweile in 13 europäischen Ländern, seit Ende August können auch in Österreich Mahlzeiten über die App "gerettet" werden. In Wien haben sich seit dem Startschuss rund 140 Partnerbetriebe angemeldet, erzählt Georg Strasser, Österreich-Chef des Start-ups. Derzeit würden drei bis vier Betriebe pro Tag hinzukommen. Auch in Salzburg, Graz und Linz gibt es erste Teilnehmer.

Wer die App in Wien öffnet, sieht eine Liste an Restaurants, Bäckereien und Fast-Food-Lokalen, die ihre Überschussware anbieten. User können Geschäfte nach Distanz und Präferenzen wie "vegetarisch" sortieren. Wer fündig wird, bestellt die Mahlzeit über das Handy – Barzahlung ist nicht möglich – und holt sie später im Geschäft ab.

Es gibt das, was übrig bleibt

Was genau Kunden in den "Überraschungssackerln" erwartet, wissen sie vor dem Einkauf nicht: Es gibt das, was eben übrig bleibt – und zwar um ein Drittel des Originalpreises. "Es ist immer genießbare Ware, die der Händler am Ende des Tages nicht verkaufen kann", sagt Strasser. "Von den Bäckereiketten wissen wir, dass sie fünf bis 25 Prozent Retourwaren haben." Sollte doch weniger als gedacht übrig bleiben, können die Betriebe die Menge über die App verändern.

In Wien haben sich bisher größtenteils kleinere Lebensmittelhändler, einige Biobetriebe und Bäckereien angeschlossen. Seit kurzem sind aber auch Ketten wie Nordsee Partner. Ob sich Fisch, der abends übrig bleibt, durchsetzt, wird sich jedoch erst zeigen.

Insgesamt läuft das Geschäft jedenfalls gut: Rund 90 Prozent der Mahlzeiten, die in Wien über die App angeboten werden, finden Abnehmer. In manchen Städten – wie Paris oder Amsterdam – werden gar 99 Prozent der angebotenen Speisen verkauft.

Gespräche mit Supermärkten

In anderen Ländern arbeitet das 2015 in Kopenhagen gegründete Start-up mittlerweile mit Supermarktketten wie Edeka oder Carrefour zusammen. In deren Überraschungssackerln landen auch Lebensmittel, die beim Transport beispielsweise leicht beschädigt wurden und daher nicht mehr verkauft werden können. Auch in Österreich sei man mittlerweile mit allen größeren Ketten im Gespräch, erzählt Strasser.

Europaweit werden nach Angaben des Unternehmens 1,7 Millionen Portionen pro Monat über die App vertrieben. Das Konzept sei nicht nur für die Unternehmen rentabel, die Müllentsorgungskosten einsparen können, auch die Umwelt profitiere, meint Strasser. Er rechnet vor, dass pro "gerettete" Mahlzeit 2,5 Kilogramm Treibhausgase eingespart werden.

Ganz leer gehen die App-Betreiber dabei natürlich nicht aus: Für Betriebe entstehen keine Mehrkosten, das Start-up nascht mit 1,19 Euro pro Einkauf mit. (Nora Laufer, 21.10.2019)