Der zweifelnde Gruselkönig Sir Simon (Morten Frank Larsen).

Foto: Pálffy

Mehr als 400 Jahre Lebenserfahrung sind schon schwer genug zu ertragen. Dann allerdings okkupiert auch noch die respektfreie Familie König das Spukreich von Sir Simon und stürzt den Routinier des Schreckens in Identitätszweifel. Da kann der Hausherr, der sich nach Erlösung sehnt wie der fliegende Holländer, noch so viele Grimassen schneiden oder seinen Perückenkopf (gemüseverziert) als Mahlzeit servieren.

Es prallt sein Gruselcharme an Herrn König (Immobilienvertreter der freien Marktwirtschaft) ebenso ab wie an dessen rappenden Kids. Leon (Lukas Karzel) und Noel (Stefan Bleiberschnig) toben sich in der Volksoper an der melancholischen Spukgestalt dann auch noch mit Wassermunition aus. Es flüchtet der Entnervte mehrmals durch den Kamin zurück in sein Wandgemälde (Bühne und Kostüme: Walter Schütze).

Regisseur Philipp M. Krenn hat nicht nur ein Herz für solch familienfreundliche szenische Ausgelassenheit. Er nimmt auch Rücksicht auf das schwermütige Sehnen der Geisterfigur, die sich auch in der sensiblen Musik von Marius Felix Lange spiegelt. Von schaurig-schönen Klangdüften umweht, darf Sir Simon (glänzend Morten Frank Larsen) nostalgisch leidend auch mal innehalten oder effektvoll mit Videomitteln (Roman Hansi) durch den Wald schweben.

Ab in die Kiste

Natürlich wird der Sir schließlich von der gütigen Virginia (profund Anita Götz) erlöst. Es dauert jedoch. Es gilt, auch mit der Assistentin/Geliebten von Vater König (tadellos Reinhard Mayr) fertigzuwerden. Frauke-Beeke Hansen (glanzvolle Höhen: Rebecca Nelsen) plant, das Schloss in eine Halloween-Attraktion umzubauen.

Nix da! Die ehrgeizig-empathielose Dame wird vom Familienkollektiv in eine Kiste gestopft. Sieüberlebt jedoch, wie auch Erlöserin Virginia: Sie hat dem Gattinnenmörder Sir Simon durch Gebete ewigen Friedensschlaf beschert. Sich opfern – wie Wagners Senta – muss sie nicht. Im Gegenteil: Virginia freut sich auf eine Zukunft mit David (Paul Schweinester), dem Sohn von Haushälterin Frau Umney (Regula Rosin), der sich als Erbe von Canterville herausstellt.

So geht eine gediegene und behutsam inszenierte Oper, die bei aller Süffigkeit auch sanft Modernität ausstrahlt, heiter zu Ende. Die Gespensterfamilie, die in den Wandgemälden in traurigem Grau posierte, leuchtet nun (nach der Erlösung des Chefs) in schönsten Farben, die auch das Volksopernorchester unter Gerrit Prießnitz akustisch erstrahlen ließ. Wehmut und Witz wirkten kultiviert und pointiert in der Umsetzung. So dürfte es immer tönen. (Ljubisa Tosic, 21.10.2019)