Jedes Jahr treffen sich Jugo-Nostalgiker (hier wohl eher die etwas politischeren) in Titos Geburtsort im kroatischen Kumrovec. 2018 war auch ein (schlechtes) Tito-Double dabei.

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Mit den Jahren werden die Ausflüge seltener. Hier und da ein Konzert, manchmal ein Theaterstück, dann eine Lesung. Es sind Orte, an denen ich immer wieder die gleichen Menschen treffe, denen ich im Alltag eigentlich selten begegne – denn wir haben nicht viel gemeinsam, bis auf ein paar biografische Parallelen und einen leichten Hang zu Jugo-Nostalgie.

Nein, es erwartet Sie jetzt kein politisches Pamphlet, denn viele Jugo-Nostalgiker verstehen sich vermutlich gar nicht als besonders politische Menschen. Und schon gar nicht als Anhänger des Tito-Kommunismus und der Arbeiterselbstverwaltung.

Sehnsucht und Familienerbstück

Wenn wir in Kellerlokalen in Gürtelnähe zum Jugo-Rock tanzen oder Balladen aus den Achtzigerjahren in Mehrzweckhallen am Stadtrad singen, dann befallen uns der süße Phantomschmerz und die Sehnsucht nach Orten und Zeiten, die es nie gab. Die Migranten und Flüchtlinge unter uns sind getrieben von dem Wunsch nach Kontinuität in der eigenen Biografie. Den Jüngeren, die Jugoslawien nie betreten haben, ist die Nostalgie ein liebgewordenes Familienerbstück, das sei bei besonderen Gelegenheiten hervorholen. Und dann gibt es noch die angeheirateten, befreundeten und verliebten Jugo-Nostalgiker.

An solchen Abenden haben die schwerfälligen jugoslawischen Themen wie Kriegsschuld, Verbrechen, Versöhnung und Traumata keinen Platz an den Tischen. Es wird hemmungslos verklärt, vergessen und verdrängt. An diesen Abenden sind wir naši (unter uns/unsrige). Die Realität der ethno-nationalistischen Diaspora bleibt draußen, und alles ist so, wie es nie war und nie wieder sein wird.

Diese nostalgischen Treffen mit alten Freunden werden noch seltener werden. Die jugoslawischen Popkultur-Größen kommen in die Jahre oder unter die Erde. Jugoslawien und der Krieg sind inzwischen seit einem Vierteljahrhundert Vergangenheit. Diese Zäsur, die viele Biografien für immer gezeichnet hat, blutet bei den meisten immer seltener nach. Es sei denn, es kommt ein lange erwarteter Nobelpreis überraschend daher. (Olivera Stajić, 22.10.2019)