Die Hölle, das sind immer die anderen: Willem Dafoe (links) und Robert Pattinson treiben sich in Robert Eggers' halluzinatorischem Meta-Horrorfilm "The Lighthouse" wechselseitig zur Weißglut.

Foto: Viennale

Zwei Männer, für vier Wochen zusammengepfercht auf engstem Raum: ein erfahrener, älterer Leuchtturmwärter und der junge Neuling. Wird dieser die Herausforderungen bewältigen? Wird der Alte ihm dabei helfen, oder lässt er ihn lustvoll auflaufen, um ihn schließlich scheitern zu sehen? Nach seinem überragenden Debütfilm The Witch verengt Regisseur Robert Eggers in The Lighthouse den Spielraum für seine Figuren noch mehr. Ein Psychoduell in mehreren Runden, gefilmt in Schwarz-Weiß und im Format früher Filme, mit zwei Schauspielern, Willem Dafoe und Robert Pattinson, die die Anforderungen bravourös meistern. Zu sehen auf der Viennale.

STANDARD: Robert Eggers setzt aufdas Physische am Set statt auf nachträgliche Computereffekte. Wie schwierig war der Dreh auf dieser Ebene?

Dafoe: Schwierig ist ein komisches Wort dafür, es war vielmehr ein Vergnügen. Es gab Physisches zu bewältigen, aber ich mag das – je physischer, desto besser. Die Außenbedingungen waren nicht toll, aber sie diktierten, wie wir den Film zu machen hatten. Wenn man diese Art der Vorgabe vonseiten der Natur hat, dann erdet das die Dinge. Man hat das Gefühl, etwas zu tun, statt – wie die Italiener sagen – gebratene Luft zu kreieren.

STANDARD: Eggers entwickelte ein ausgeklügeltes Kamerakonzept, dem sich auch die Schauspieler unterordnen müssen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Dafoe: Es hilft einem, sich zu fokussieren. Manchmal ist es ein wenig ärgerlich, wenn die Kamera König ist. Wir haben die Aufnahmen nicht oft wiederholt, aber wenn, dann war das für die Kamera, nicht wegen der Schauspieler. Das hat eine disziplinierende Wirkung. Es befreit dich, weil es dir bestimmte Wahlmöglichkeiten nimmt. Du wirst in eine Ecke gedrängt und musst entscheiden, wie du dich in dieser Ecke verhalten willst. Daraus entwickelt man die Performance, und in diesem Fall passte es auch zu der Klaustrophobie, in diesem Leuchtturm zu sein.

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STANDARD: Wurde für Ihre Figur des Leuchtturmwärters eine Biografie vorgegeben, die über das hinausging, was wir im Film selber von ihr erfahren?

Dafoe: Nein, aber Robert Eggers gab mir seine Recherchen. Er ist ein Filmemacher, der gründlich Vorarbeit leistet – es gab eine Menge an Mitschnitten von Gesprächen mit echten Leuchtturmwärtern. Das kam ohne irgendwelche Anweisungen, nur beim Akzent hatte er recht präzise Vorstellungen, damit haben wir dann experimentiert. Ich bin nicht die Art von Schauspieler, der alles über seine Figur wissen muss, wo er aufgewachsen ist, ob sein Vater ihn misshandelt hat – so denke ich nicht, denn ich bin der Auffassung, dass man so eine Backstory nicht spielen kann. Die kann einen zu bestimmten Entscheidungen hinführen, aber diese elementaren Entscheidungen wurden hier alle im Drehbuch getroffen: Zwei Männer in einem Leuchtturm, ein alter und ein junger, dies sind die Dialoge – das reichte vollkommen aus. Für mich war das Wichtigste, zu verstehen, was ich sage, und zu wissen, wie ich diesen anderen Mann versuche zu manipulieren.

STANDARD: Nähern Sie sich einer Figur an, indem Sie das Drehbuch lesen und das reflektieren – oder brauchen Sie eine bestimmte Szene, eine bestimmte Geste, bis es bei Ihnen klick macht?

Dafoe: Das ist meist eine Kombination. Oft ist es äußerlich, es ist manchmal hilfreich, mithilfe einer Maske in eine Figur zu schlüpfen – das war hier der Bart, den ich mir wachsen ließ, ebenso die falschen Zähne, was wiederum die Art, wie ich spreche, beeinflusst hat. Die Kleidung, die sehr akkurat derjenigen der Ära nachempfunden war, bestimmte mit, wie ich mich bewege.

STANDARD: Sie haben im Unterschied zu Robert Pattinson viel Theatererfahrung. Stimmt es, dass Filmschauspieler bei wiederholten Takes eher abbauen, während Bühnenschauspieler oft besser werden?

Dafoe: Da ist etwas dran, aber vergessen Sie nicht: Wir haben einfach unterschiedliche Ansätze. Rob hat vielleicht einmal auf einer Bühne gestanden, aber das ist lange her. Er wollte nie etwas machen, wenn die Kamera ausgeschaltet war. Er ist überzeugt, Proben würden die Lebendigkeit zerstören. Seine Figur hat immer wieder Herausforderungen zu bewältigen, bei denen die Kamera sie begleitet. Ich dagegen versuche, eine Struktur zu finden und dann den Zuschauer glauben zu lassen, dass das, was er gerade sieht, zum ersten Mal stattfindet. Ich denke, das ist möglich, denn Spontaneität ist nicht abhängig vom Impuls eines Moments. Das ist wie bei Musikern: Wie sie sich einer Note annähern, ist jedes Mal unterschiedlich.

Willem Dafoe (64) ist einer der profiliertesten US-Schauspieler. Er war Mitglied der Theatergruppe Wooster Group und drehte mit Regisseuren wie Martin Scorsese, David Lynch, Lars von Trier oder zuletzt Julian Schnabel, in dessen Van-Gogh-Film er die Titelrolle verkörperte.
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STANDARD: Wie finden zwei so unterschiedliche Ansätze dann zusammen?

Dafoe: Meine Rolle unterscheidet sich von der von Rob ja auch dadurch, dass ich jede Menge Reden zu halten hatte – die kann man nicht improvisieren. Da muss ich die richtige Melodie dafür finden. Robs Figur ist von Unsicherheit gekennzeichnet, während ich ganz entschieden sein musste: der Aktive, der ihn herausfordert und provoziert. Insofern passten diese unterschiedlichen Arbeitsweisen gut zu unseren jeweiligen Rollen.

STANDARD: Bedeutet das, Sie haben Robert Pattinson erst am ersten Drehtag getroffen?

Dafoe: Es gab kurze Proben, aber die waren vor allem für die Kamera. Der Standort der Kamera wurde als Erstes festgelegt. Das ist schon ungewöhnlich, normalerweise wird zuerst die Szene erarbeitet. Aber hier, mit der Verwendung alter Objektive, hatten Eggers und sein Kameramann das Gefühl, sie müssten die technischen Herausforderungen als Erstes klären. Die Enge der Innenräume und der vorher festgelegte Standort der Kamera ließen uns meist wenige Optionen offen. Robert Eggers hatte ein genaues visuelles Konzept, einer so klar artikulierten künstlerischen Vision diene ich gerne. Dabei bleibt einem auch keine Zeit, sich in seiner eigenen Cleverness zu suhlen. (Frank Arnold, 21.10.2019)