Wirklich populär ist die EU-Erweiterung nicht. Einigen der neueren Mitgliedsstaaten, allen voran Rumänien und Bulgarien, fehlte von Anfang an die notwendige EU-Reife; Polen und Ungarn machten nach dem Beitritt verheerende Rückschritte in ihrer politischen Kultur. Und die Staaten auf dem Westbalkan, die nun vor der Tür der Union stehen und heftig anklopfen, sind alles schwierige Fälle – arm, korrupt und weit entfernt von demokratischer Rechtsstaatlichkeit.

Man sollte Emmanuel Macrons Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien deshalb nicht in Bausch und Bogen verdammen. Denn mit der Ausnahme der Türkei führen solche Gespräche früher oder später zum Beitritt – egal ob die Staaten tatsächlich oder nur auf dem Papier die Bedingungen erfüllt haben. Wenn Frankreich und die Niederlande angesichts der umstrittenen Beitrittsentscheidungen von einst nun neue Regeln für das Aufnahmeverfahren fordern, dann haben sie dafür gute Argumente.

Beitrittskarotte

Aber gerade das Beispiel Nordmazedonien zeigt, warum ein völliger Erweiterungsstopp ein gravierender Fehler wäre. Die EU-Perspektive ist die stärkste Triebfeder für demokratische und marktwirtschaftliche Reformen und trägt auch entscheidend zum Frieden in einer höchst unsicheren Region bei. Die Beitrittskarotte ist für Brüssel ein unverzichtbarer geopolitischer Hebel, auch gegenüber dem Einfluss Russlands und Chinas.

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Der nordmazedonische Regierungschef Zoran Zaev hat sich für vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen.
Foto: AP Photo/Boris Grdanoski

Die Regierung in Skopje hat viel politisches Kapital verbraucht, als sie der Änderung des Staatsnamens zugestimmt hat, um den Konflikt mit Griechenland beizulegen. Sie erfüllte damit Brüssels Forderungen und erwartete sich zu Recht die Belohnung. Bleibt diese aus, schwächt es das proeuropäische Lager und gibt nationalistischen Kräften Auftrieb. Der Neuwahlentscheid von Premier Zoran Zaev ist keine gute Nachricht für die EU und die Region.

Aber wie kann man in solchen Ländern die Hoffnung auf eine EU-Mitgliedschaft am Leben erhalten, ohne das Versprechen zu früh einzulösen? Ewige Gespräche sind keine Lösung, weil sie irgendwann ihren Sinn verlieren. Im Fall des Westbalkans könnte man sich eine bedingte Mitgliedschaft für ein Jahrzehnt oder länger überlegen, die leichter eingeschränkt oder rückgängig gemacht werden kann. Denn eine Erfahrung hat Europa gemacht: Ist ein Staat einmal in der EU, dann schwindet der Einfluss des Westens rasch. (Eric Frey, 21.10.2019)