Marian Kočner wurde im Zusammenhang mit dem Mord am Journalisten Ján Kuciak offiziell angeklagt.

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Einmal mehr steht die Slowakei dieser Tage im Schatten des Mordes am jungen Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová – und im Schatten dessen, was die Ermittlungen zu dem Fall bisher ans Tageslicht gebracht haben. Am Montag wurde der Hauptverdächtige, der Unternehmer Marian Kočner, von der Staatsanwaltschaft offiziell angeklagt. Er soll den Mord in Auftrag gegeben haben, der im Februar 2018 die Slowakei in ihren Grundfesten erschüttert hat. Kočner saß bereits wegen eines anderen Vorwurfs im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität in Untersuchungshaft. Ebenfalls in Haft sind vier weitere Verdächtige im Fall Kuciak, darunter eine angebliche Vermittlerin sowie der angebliche Todesschütze.

Kočner, dem auch Korruption in großem Stil zur Last gelegt wird und der als zentrale Figur eines Filzes aus wirtschaftlicher und politischer Macht gilt, ist aber bereits seit vergangener Woche wieder in aller Munde. Hintergrund sind Tonaufnahmen von Gesprächen zwischen hochrangigen Politikern und einflussreichen Geschäftsleuten aus den Jahren 2005 und 2006. Die Aufnahmen von mehreren Treffen in einer konspirativen Wohnung im Zentrum der Hauptstadt Bratislava wurden damals vom slowakischen Geheimdienst SIS angefertigt. Ein damaliger Mitarbeiter des Geheimdienstes, der zufällig die Nachbarwohnung gekauft hatte, war auf die Treffen aufmerksam geworden und hatte seine Vorgesetzten informiert. Später wurde er entlassen.

Schmiergelder für hohe Politiker

Der Fall ging im Jahr 2011 als Causa "Gorilla" in die Geschichte der Slowakei ein, als Abschriften der Tonaufnahmen an die Öffentlichkeit durchsickerten. Ihnen zufolge ging es bei den Treffen unter anderem um Schmiergelder für Politiker und hohe Verwaltungsbeamte für die Zuteilung öffentlicher Aufträge. Die angeblich Beteiligten hatten die Authentizität der Protokolle stets bestritten. Dennoch gingen damals tausende Menschen auf die Straße, um gegen die grassierende Korruption im Land zu demonstrieren. Beobachter glauben, dass die Affäre bei der Wahl 2012 maßgeblichen Anteil an der Niederlage der Mitte-rechts-Regierung unter dem damaligen Premier Mikuláš Dzurinda und am Erfolg des Linkspopulisten Robert Fico hatte, der dann bis 2018 als Premier im Amt blieb.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Marian Kočner wurde im Vorjahr in dessen Wohnung ein USB-Stick mit einer Kopie der "Gorilla"-Aufnahmen gefunden. Vor der Öffentlichkeit blieben die Tonaufnahmen aber weiterhin verborgen – bis sie vorige Woche per Internet anonym mehreren Medien zugespielt wurde. Plötzlich waren da nicht nur Abschriften, die von den Betroffenen immer als gegenstandslos bezeichnet worden waren, sondern konkrete Mitschnitte in einer Gesamtlänge von 39 Stunden.

Im Safe des Staatsanwalts

Nach wie vor bestreiten Beteiligte die Echtheit des Materials, sprechen von illegalen und manipulierten Aufnahmen. Dennoch wächst der Zorn in der Bevölkerung. Für besondere Empörung sorgte eine weitere Tonaufnahme, die auf der Website der Tageszeitung "Denník N" veröffentlicht wurde. Darauf soll der einst einflussreiche Unternehmer Kočner zu hören sein, wie er den ehemaligen Generalstaatsanwalt Dobroslav Trnka wie einen Untergebenen maßregelt.

Aus der Aufnahme geht hervor, dass Kočner die Gorilla-Tonaufnahme von einer nach wie vor unbekannten Person gekauft und danach mit mehr als 800.000 Euro Gewinn verkauft habe – und zwar an den Chef der mächtigen Finanzgruppe Penta, der in den Mitschnitten angeblich eine Hauptrolle spielt. Allerdings soll Kočner auch eine Kopie davon im Safe von Staatsanwalt Trnka hinterlegt haben, der den Penta-Chef später damit erpresst haben soll, was dieser freilich bestreitet.

"Korruptheit einer ganzen Generation"

An mindestens einem der umstrittenen Treffen in der konspirativen Wohnung soll übrigens auch der damalige Oppositionspolitiker und spätere Premier Robert Fico teilgenommen haben. Fico war nach dem Mord an Kuciak unter dem Druck von Massenprotesten zurückgetreten. Die liberale Präsidentin Zuzana Čaputová erklärte die Gorilla-Affäre mittlerweile zum "Symbol der politischen Korruptheit einer ganzen Generation". (Gerald Schubert, 21.10.2019)