Dirigent Andris Nelsons: mehr lustvoll denn Kontrollfreak.

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Einen deutschromantischen Dreiklang von Komponisten, die mit Leipzig eng verbunden waren, offerierte das Gewandhausorchester bei seinem Gastspiel im Musikverein: Robert Schumann, Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy. Bei Schumanns Cellokonzert beherrschte Solist Gautier Capuçon das Podium nicht nur klangmächtig, sondern auch bilderstark: Nicht weniger selbstbewusst als Napoleon beim Überschreiten der Alpen (auf dem Gemälde von Jacques-Louis David) setzte sich der Franzose in Szene und fesselte besonders im langsamen Mittelteil sowie im lebhaften Schlussdrittel des Werks.

Das zarte Zusammenspiel mit dem Solocellisten des Orchesters im F-Dur-Teil, die Wucht bei der kurzen Wiederkehr des Kopfsatzthemas, das präzise gedrechselte Finalthema: Weltklasse. Nur im ersten Werkteil wollte die heterogene, manierierte Interpretation des 38-Jährigen nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammenfinden. Mit sechs Cellisten des Orchesters gab Capuçon noch Dvoráks Lasst mich allein in einem originellen Arrangement zu, in der zweiten Programmhälfte werkte der Solist dann begeistert und initiativkräftig als Gewandhausmusiker am letzten Pult der Cellogruppe.

Zusammen mit Capuçon ergingen sich die Leipziger bei der Ouvertüre zu Wagners Fliegendem Holländer und bei Mendelssohn Bartholdys dritter Symphonie in frei schwingendem, lustvollem Musizieren, dem ab und zu die letzte Präzision fehlte. Chefdirigent Andris Nelsons bewies sich wieder einmal als begnadeter Animateur und beseelter Stimmungszeichner. Schon bei Mahlers Blumine (aus der Urfassung der ersten Symphonie) waren die Streicher beim ersten Crescendo aufgeblüht wie der Flieder im Mai. Ein kontrollfreudiger, domestizierender Detailfuchs wie sein Dresdner Kollege Christian Thielemann wird Nelsons wohl nie werden. (sten, 21.10.2019)