Alceste (Raphael Kübler) betet Célimène (Marion Fuhs) an, die hält aber gleich mehrere Verehrer bei Laune. Dem Abend gelingt selbiges leider nicht ganz.

Foto: Rupert Larl

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Ein bisschen beiläufiges Notebook-Getippe, nur rasch die Social-Media-Kanäle füttern, dann ist aber auch wieder gut. Man darf Rudolf Freys Inszenierung zugutehalten, dass sie unaufdringlich bleibt mit den Verweisen auf die digitale Gegenwart, die hinsichtlich Gefallsucht, Speichelleckerei und selbstgerechtem Besserwissertum ja als besonders verhaltensauffällig gilt.

Trefflich lästern lässt es sich nämlich auch analog, auf unterkühlten Partys etwa, auf denen man statt Häppchen Boshaftigkeiten reicht und sich in affige Tanzposen schmeißt. Bedeutungsschwanger bröckeln dazu auf der von Vincent Mesnaritsch gestalteten Drehbühne die Fassaden.

Mehr als 350 Jahre hat der Komödienklassiker Der Menschenfeind auf dem Buckel, Molière hatte darin die eigene Stellung am französischen Hof reflektiert: Er, der Protegé des Königs, nahm einerseits Heuchelei und Intrigen des Adels aufs Korn, wischte aber auch dem bürgerlichen Ideal der Rechtschaffenheit, dem er sich selbst verpflichtet fühlte, eins aus.

Das Dilemma von Alceste, diesem Misanthropen und Verzweifler an der Verlogenheit der Welt, ist nicht weniger zeitlos als die Society-Satire. Geht es nämlich um die eigene Haut (oder in diesem Fall: die Liebe), stolpert der Moralapostel über die eigenen Prinzipien.

Eingängige Verse

Aus der Übersetzung von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens purzeln eingängige Verse wie: "Wir Menschen gelten als vernünftige Wesen. Wer das behauptet, ist nie Mensch gewesen." Frey, der dem Tiroler Landestheater zuletzt eine sehr respektable Inszenierung von Wolfram Lotz'Die lächerliche Finsternis beschert hat, kann sich aber nicht recht entscheiden zwischen Komödie und der Tragik des inneren Konflikts – wobei ja gerade der Humor jener doppelte Boden ist, auf dem dieser Konflikt bei Molière ausgetragen wird. So fehlt es dem Komödiantischen an Esprit, während sich aus dem Wesen der Hauptfiguren auch keine nennenswerte Spannung entwickelt.

Raphael Küblers Alceste trägt seinen schwarzen Schlabberlook mit derselben lässigen Präpotenz wie seine Selbstgerechtigkeit. Sehr viel mehr kommt dann aber nicht nach. Seine Angebetete Célimène (Marion Fuhs) pendelt zwischen lustiger Witwe und selbstbewusster Salondame, die die Verehrer mit kleinen und großen Lügen bei Laune hält, sich aber nicht festlegen will. Man kann es ihr angesichts des Angebots nicht verdenken. Die Sympathien gehören am ehesten der integren Éliante (Ulrike Lasta).

Auf der Bühne entsteht ein Vakuum, das sich mit Larmoyanz und hohlen Posen nicht füllen lässt. "Spröde" reimt sich nicht bloß beim eitlen Oronte auf "öde". (Ivona Jelcic, 21.10.2019)