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1980 entfielen in den USA auf die top ein Prozent der Verdiener zehn Prozent der Einkommen, heute sind es 20 Prozent.

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Es ist ein gut gehütetes Geheimnis. Wie viel verdiente der Immobilientycoon und Kasinobesitzer Donald Trump vor seinem Einzug in das Weiße Haus wirklich, und bezahlt er dafür Steuern? Im Wahlkampf 2016 hatte es Aufregung um die Steuerakte Trumps gegeben, die bis heute geheim ist. In ihrer ersten Fernsehdebatte hatte Hillary Clinton diese Geheimhaltung angesprochen. Die einzigen Steuerunterlagen, die Trump offengelegt hat, waren jene, als er seine Casinolizenz beantragte. Und aus diesen Papieren gehe hervor, dass Trump jahrelang keine Steuern zahlte, attackierte Clinton den Republikaner. Trumps kurzer Konter: "Das macht mich klug."

Mit dieser Anekdote beginnt ein soeben erschienenes Buch der Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman mit dem Titel The Triumph of Injustice, das schon nach seinem Erscheinen kontroverse Debatten in den USA und unter Ökonomen weltweit ausgelöst hat. Kernthese der Autoren: In den USA bezahlen heute Lehrer und klassische Arbeiter im Schnitt höhere Steuern auf ihr Einkommen als eine kleine Gruppe von 400 Multimilliardären, zu der etwa Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Amazon-Gründer Jeff Bezos gehören. Das US-Steuersystem sei derart kaputt, dass ein Präsidentschaftskandidat offen prahlen kann, dass er nichts bezahlt.

Komplexe Aufgabe

Dass sich das Werk von Zucman und Saez nicht als kritischer Einwurf von linken Weltverbesserern abtun lässt, liegt schon allein an den Autoren. Zucman und Saez forschen an der University of Berkeley, Kalifornien, und vor allem Ersterer hat sich in den vergangenen Jahren mit Studien zur Steuerpolitik einen Namen in der akademischen Szene gemacht.

Die beiden Wissenschafter haben zunächst zusammengetragen, wie viel Steuern Menschen in den USA zahlen. Was nach einer simplen Aufgabe klingt, ist in der Realität komplex. Die Einkommenssteuererklärungen, die Arbeitnehmer bei der Bundessteuerbehörde IRS abgeben, decken nämlich nur einen kleinen Teil des Feldes ab.

25 bis 30 Prozent im Schnitt

Zucman und sein Co-Autor mussten ausrechnen, wie die Sozialversicherungsbeiträge und die Mehrwertsteuer, die es in den meisten Bundesstaaten gibt, wirken. Hinzu kommt noch die schwere Zuordenbarkeit von Unternehmensgewinnen und Unternehmenssteuern auf einzelne Kapitaleigentümer. Berücksichtigt haben die Autoren nämlich auch unzählige Milliarden, die von Unternehmen erwirtschaftet, aber nicht ausgeschüttet werden.

Das Endergebnis sieht so aus: Die USA verfügen über eine Flat Tax. Ob klassische Arbeitnehmer, zu denen 50 Prozent der Amerikaner gehören, oder die Mittelschicht und die gehobene Mittelschicht, die Steuerbelastung liegt zusammengenommen immer irgendwo zwischen 25 und 30 Prozent. Lediglich die kleine Topgruppe der Wohlhabendsten, die 0,01 Prozent der Gesellschaft, zahlt weniger als 20 Prozent an Steuern auf ihr Einkommen.

Was Zuckerberg zahlt

Das hat mehrere Gründe. Ein großer Teil der Einkommen von Kapitaleigentümern bleibt unversteuert. Die Autoren nehmen als Beispiel Facebook: Der US-Konzern hat 2018 einen Gewinn von 20 Milliarden Dollar erwirtschaftet, Zuckerberg gehört ein Fünftel des Unternehmens. Ihm wären also vier Milliarden zuzurechnen. Weil aber Facebook keine Dividende zahlt, blieb dieser Profit unversteuert. Facebook zahlt aber auch sonst kaum Steuern auf seine Gewinne dank komplexer Offshore-Konstruktionen. Also kommt auch da kaum etwas zusammen.

Hinzu kommen eine Reihe anderer Ausnahmen, von denen Wohlhabende profitieren, etwa die generelle Begünstigung von Kapitaleinkommen. Und in der Lohnsteuer wurden die Tarife für Topverdiener von einst deutlich über 50 Prozent in den 1950er-Jahren seit den 1980ern auf unter 30 Prozent gesenkt, wobei die letzte Senkung durch Trump und die Republikaner erfolgte. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei den Gewinnsteuern für Unternehmen.

Dass sich ein Werk über die US-Steuerpolitik flüssig liest, liegt daran, dass Zucman und Saez ihre Rechnung im ersten Kapitel kompakt präsentieren und sich dann der Analyse zuwenden. Ein Kernargument lautet, dass die massiv gestiegene Ungleichheit in den USA zu einem guten Teil auf das nicht funktionale Steuersystem zurückzuführen ist. Die Empfehlung der Autoren lautet, die Spitzensteuersätze anzuheben, sie empfehlen 60 Prozent. (András Szigetvari, 22.10.2019)

Emmanuel Saez / Gabriel Zucman, "The Triumph of Injustice: How the Rich Dodge Taxes and How to Make Them Pay". € 23,99
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