Fünf Wochen nach der Wahl gibt es in Israel noch immer keine Regierungskoalition.

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Eigentlich sollte im Hause Netanjahu am Montag gefeiert werden: Es ist nämlich der 70. Geburtstag des längstdienenden Ministerpräsidenten Israels. Allerdings kann man davon ausgehen, dass Benjamin Netanjahu nicht in Feierlaune ist. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ist sein Versuch, eine Regierung zu bilden, gescheitert. Anstatt Präsident Reuven Rivlin um eine Verlängerung zu bitten, hat Netanjahu das Mandat zur Regierungsbildung zurückgegeben.

Der Politikchef der "Jerusalem Post", Gil Hoffman, vermeldete die Nachricht auf Twitter.

Die Frist zur Regierungsbildung – rund fünf Wochen nach der Parlamentswahl in Israel – wäre spätestens am Mittwoch abgelaufen. Doch die Verhandlungen für eine große Koalition, für die sich auch Rivlin ausgesprochen hatte, galten bereits weitgehend als gescheitert. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des israelischen Ex-Militärchefs Benny Gantz hatte Anfang Oktober die Gespräche mit Netanjahus rechtskonservativer Likud-Partei abgesagt.

Nun muss Rivlin einen anderen Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen: Der Präsident hat bereits angekündigt, Gespräche mit Vertretern aller wichtiger Parteien führen zu wollen, bevor er Gantz das Mandat zur Koalitionsbildung erteilt. Der neue Auftrag muss laut Gesetz innerhalb von drei Tagen erfolgen.

Gantz' Erfolgsaussichten für das Formen einer Regierung gelten ebenfalls als gering. Blau-Weiß war bei der Wahl am 17. September mit 33 Mandaten zwar stärkste Kraft geworden, allerdings hat weder das rechtsreligiöse noch das Mitte-links-Lager eine Mehrheit zur Regierungsbildung.

28-Tage-Frist

Netanjahu warnte am Montag in einem Video, dass Gantz eine Minderheitsregierung bilden könnte. Netanjahu zufolge würde er somit von einem Bündnis arabischer Parteien, der Joint List, unterstützt werden, das "den Terror fördert". Sollte es dazu kommen, wolle er die Opposition anführen.

In dem Video meinte Netanjahu zudem, dass es noch nicht zu spät für eine große Koalition sei. Dabei bezieht er sich auf das vorgesehene Prozedere: Wenn es auch Gantz während einer 28-Tage-Frist nicht gelingt, eine Koalition auf die Beine zu stellen, dann steht es mehreren Parlamentariern zu, die Unterstützung von 61 Abgeordneten für einen Regierungsauftrag innerhalb von 21 Tagen zu sammeln. Gelingt dies niemandem, wird die Knesset, das israelische Parlament, spätestens im Frühjahr automatisch aufgelöst und Neuwahlen eingeleitet.

Bereits nach der vergangenen Wahl im April war Netanjahu damit gescheitert, eine Koalition zu formen. Netanjahu hat mit dem Verlust der rechtsreligiösen Mehrheit im Parlament sowie drohenden Anklagen in drei Korruptionsfällen zu kämpfen. (fmo, APA, 21.10.2019)