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Sunrise und UPC.

Foto: reuters/Wiegmann

Das größte Übernahmevorhaben am Schweizer Telekommarkt ist geplatzt. Angesichts des Widerstands der Aktionäre blies der Mobilfunkbetreiber Sunrise den 6,3 Mrd. Franken (5,7 Mrd. Euro) schweren Kauf des Kabelnetzbetreibers UPC ab. "Das ist eine verpasste Chance, den Wettbewerb im Schweizer Markt weiter voranzutreiben", sagte Konzernchef Olaf Swantee zur Nachrichtenagentur Reuters.

Die Nummer zwei im Land setzt nun auf einen Alleingang. Nutznießer dürfte Analysten zufolge Marktführer Swisscom sein, dem ein stärkerer Wettbewerber erspart bleibt.

Keine Mehrheit

Nach monatelangen Kampagnen der beiden Seiten triumphierten am Dienstag die Gegner des Deals, allen voran Sunrise-Großaktionär Freenet. Im letzten Moment sagte das Schweizer Unternehmen die für Mittwoch angesetzte Generalversammlung ab, auf der die Aktionäre über eine bis zu 2,8 Milliarden Franken schwere Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Deals abstimmen sollten. Der Konzern war damit einer absehbaren Niederlage zuvorgekommen.

Der Verwaltungsrat von Sunrise sei zu dem Schluss gekommen, dass eine deutliche Mehrheit der Aktionäre die Kapitalerhöhung nicht unterstütze, hieß es in der Mitteilung. Auch immer neuer Zugeständnisse und die Unterstützung der Investmentbanken UBS, Deutsche Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse und Goldman Sachs reichten nicht aus, die Transaktion über die Ziellinie zu bringen.

Investoren fanden Kaufpreis zu hoch

Mit der Ende Februar angekündigten Übernahme von UPC vom US-Kabelriesen Liberty Global wollte Sunrise dank Bündelangeboten für Mobilfunk, Breitband-Internet, TV und Festnetz Marktanteile gewinnen und den Abstand auf Swisscom verringern. Doch in einem mit harten Bandagen ausgetragenen Streit schossen Freenet und mehrere aktivistische Investoren wie Axxion und AOC gegen den ihrer Einschätzung nach zu hohen Kaufpreis, die Finanzierung und das strategische Kalkül. Zum Scheitern brachte das Unterfangen schließlich die Empfehlung des einflussreichen Stimmrechtsberaters ISS, gegen die Transaktion zu stimmen, so die Sunrise-Manager.

"Es ist traurig, dass das Vorhaben am Ende gescheitert ist", sagte Swantee. Aber Sunrise respektiere den Entscheid der Aktionäre. "Das Management fokussiert sich jetzt darauf, die Stand-alone-Strategie umzusetzen." Er erwarte nicht, dass Sunrise mit Liberty Global im kommenden Jahr neue Verhandlungen aufnehme. Ganz abhaken kann Swantee das Thema aber noch nicht. Denn die Liberty geschuldete Strafgebühr für das Scheitern des Deals von 50 Millionen Franken sowie weitere Kosten für Finanzierung, Beratung und Integrationsvorbereitung könnten sich Experten zufolge auf einen niedrigen dreistelligen Millionen-Franken-Betrag summieren. Die hohe Dividende sieht Sunrise aber nicht in Gefahr.

Personaländerungen möglich

Wechsel an der Sunrise-Spitze sind nun nicht ausgeschlossen. Der auch von den Kritikern des Deals geschätzte Swantee sagte auf die Frage, ob er an einen Rücktritt denke: "Unsere Priorität ist die Stabilisierung von Sunrise." Ungewiss ist auch die Zukunft von Verwaltungsratspräsident Peter Kurer. "Wir erwarten, dass er nun die folgerichtigen Konsequenzen zieht und als Verwaltungsratspräsident umgehend zurücktritt", erklärte der Aktivist AOC.

Die Anleger reagierten erleichtert auf das Scheitern, denn damit müssen sie kein neues Kapital zuschießen. Die Sunrise-Aktie kletterte um 2,6 Prozent. Freenet-Chef Christoph Vilanek sieht weiteres Potenzial: "Wir sind überzeugt: Wenn alle an einem Strang ziehen, kann die Aktie in den nächsten zwölf bis 24 Monaten deutlich steigen." Freenet habe keine Pläne, das Paket von knapp einem Viertel der Sunrise-Aktie zu verkaufen.

Das Scheitern des Deals sei eine gute Nachricht für Swisscom, erklärte Berenberg-Analyst Usman Ghazi. Das Tempo der Marktanteilsverluste des Marktführers an Sunrise und den Mobilfunkanbieter Salt dürfte nun abnehmen. Unklar ist, was Liberty nun mit der in einem Turnaround steckenden UPC vorhat. Viele Experten rechnen zwar mit einer Konsolidierung am Schweizer Telekommarkt. Doch auch das Szenario, dass sich die vom französischen Unternehmer Xavier Niel kontrollierte Salt mit UPC verbündet, hält der Analyst für unwahrscheinlich. Dass Liberty selbst zum Käufer werden könnte, gilt Experten zufolge ebenfalls als unrealistisch, denn die Amerikaner sind dabei, sich aus einer ganzen Reihe von europäischen Märkten zurückzuziehen. (APA, 22.10.2019)