Erdogans Spielzeug, unterstützt von der regierungsnahen Krankenhauskette Medipol: Istanbul Basaksehir sorgt für große Kritik im türkischen Fußball.

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Istanbul – Der WAC macht auf seiner Europacup-Reise Halt in der Türkei. Bei Istanbul Basaksehir verteidigen die noch ungeschlagenen Kärntner am Donnerstag ihren Spitzenplatz in Europa-League-Gruppe J. Der jüngste und unpopulärste Club der türkischen Metropole beschäftigt viele Altstars und wird vom mächtigsten Mann des Landes protegiert – Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Erst vor fünf Jahren wurde aus dem Vorgängerclub Büyüksehir Belediyespor, damals eine Betriebsmannschaft der Stadtverwaltung, der Istanbul Basaksehir Futbol Kulübü. Benannt nach dem Stadtteil Basaksehir, einem politisch von der Regierungspartei AKP dominierten Bezirk, wird der Club von regierungsnahen Unternehmen, wie der Krankenhauskette Medipol, unterstützt. Ein Nachwuchszentrum wird gerade gebaut, der Club kann es sich aber auch leisten, sehr gute Gehälter zu zahlen.

Keine Hölle in Istanbul

Unter Vertrag stehen daher prominente Namen langsam verblassender Tage: Robinho (35) etwa, der brasilianische Ex-Teamspieler, neben dem gelegentlich Demba Ba (34) stürmt. Arda Turan (32) wurde vom FC Barcelona ausgeliehen, auch Gökhan Inler (35) und Eljero Elia (32) sind Fußball-Beobachtern ein Begriff. Aus der Abwehr ragen britisch-geformte Felsen: Martin Skrtel und Gael Clichy (beide 34) verteidigten für Liverpool und Manchester City. Auch der frühere Salzburger Fredrik Guldbrandsen (26) spielt seit Sommer dort.

Den Meistertitel verpasste Basaksehir im Vorjahr um zwei Punkte. 22 Spieltage war man Tabellenführer der Süper Lig, am Ende triumphierte Galatasaray. Als derzeit Vierter ist die Truppe nach einem schwachen Start unter dem neuen Trainer Okan Buruk mittlerweile in Fahrt gekommen. In den vergangenen acht Partien verlor sie nur bei AS Roma (0:4).

Die "Hölle von Istanbul", von der Fußballer nach ohrenbetäubenden Gastspielen bei den Großclubs Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce berichten, wird sich für die Kicker aus dem Lavanttal nicht auftun. Zu den Spielen kommen kaum mehr als 4.000 Zuschauer, Gruppengegner Gladbach zog beim 1:1 zuletzt 5.600 Menschen ins nach Trainerlegende Fatih Terim benannte, schmucke Stadion (Fassungsvermögen: 17.300), das es seit 2014 gibt. Erdogan kommt nur zu Toppartien, den Wolfsburger AC zählt er wohl nicht dazu.

St. Pauli wirft Sahin raus

Gladbach fühlte sich zuletzt wenig willkommen. Die Deutschen klagten über Gängelung ihrer Fans seitens der Polizei, wegen christlicher Symbole wurden Fahnen konfisziert. Der Club ist ein Spiegelbild von Erdogans Vision eines streng-religiösen und zutiefst patriotischen Landes. Bezeichnend dafür ist der Fanclub "1453 Basaksehirliler": Er trägt das Jahr der Eroberung Konstantinopels, dem Grundstein zum Aufstieg des Osmanischen Reiches, im Namen.

Längst hat die umstrittene Militäroffensive der Türkei gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien auch den Sport erfasst. Türkische Fußballer schicken nach Toren militärische Grüße per Salut-Jubel in die Welt. Viele türkisch-Stämmige, wie etwa der frühere ÖFB-Teamspieler Veli Kavlak, bekundeten virtuell ihre Unterstützung für den im Westen scharf kritisierten Militäreinsatz.

Cenk Sahin gehört dazu. "Wir sind an der Seite unseres heldenhaften Militärs und der Armeen. Unsere Gebete sind mit euch!", postete Sahin und wurde dafür von seinem Club, dem deutschen Zweitligisten FC St. Pauli, ausgeschlossen. Nationalismus und propagierte Toleranz in jeder Lage vertragen sich nicht. Sahin trainiert nun bei Ex-Club Basaksehir mit. "Hier ist sein Zuhause", sagte Präsident Göksel Gümüsdag und demonstrierte erneut Regierungsnähe. Die Bande gehen mitunter über die Politik hinaus – Gümüsdag ist mit der Nichte der Ehefrau des türkischen Präsidenten verheiratet. (APA, 22.10.2019)