Vor nicht einmal einem halben Jahr landete HBO in Kooperation mit Sky mit russischer Geschichte einen Überraschungserfolg. "Chernobyl" erzählt Chronologie und Hintergründe der Reaktorkatastrophe vom April 1986. Durch ihre genaue Erzählweise löste die Miniserie nachhaltiges Unbehagen aus. "Chernobyl" ist packend im besten Sinn des Wortes und mit zwölf Millionen Zuschauern eine der meistgesehenen HBO-Miniserien seit 2001.

Ab Donnerstag reichen die renommierten Abokanäle ein weiteres Stück russischer Historie nach. Mehr als 300 Jahre zuvor schrieb sich die legendäre Katharina die Große in die Geschichtsbücher ein. Die Tatsache ihrer Weiblichkeit im männlich dominierten Adelsumfeld beflügelt die Fantasie der Unterhaltungsmaschine. Katharina gehört zu den oft verfilmten Stoffen: "Catherine the Great" (1995), "The Scarlett Empress" (1934), "A Royal Scandal" (1945) und viele andere mehr. Große Schauspielerinnen interpretierten sie: Marlene Dietrich, Tallulah Bankhead, Jeanne Moreau, Julia Ormond und Catherine Zeta-Jones waren darunter.

In der neuen Fassung von HBO spielt Helen Mirren ("The Queen") die Titelmonarchin, zu sehen ab Donnerstag auf Sky Atlantic HD und mobilen Diensten des Abosenders.

Helen Mirren spielt die nächste Regentin.
Foto: HBO / Sky

Vorweg: Es gibt viele Gründe, sich "Catherine the Great" nicht anzuschauen, und nur wenige, es zu tun. Wenn Sie sich für russische Geschichte interessieren, dann schauen Sie. Sind Sie Fan von Helen Mirren und müssen restlos alles von ihr gesehen haben? Unbedingt! Sie lieben opulent ausgestattete Historienfilme? Und haben alle tollen Serien von "Fleabag", "Unbelievable" bis "Russian Doll" und beide Staffeln von "Killing Eve" schon gesehen? Dann steht Ihnen nichts im Wege. Sie können sich auf viermal gut fünfzig Minuten freuen, die Ihren Anforderungen entsprechen.

Bedingte Empfehlung

Falls das nicht auf Sie zutrifft, dann ist Ihnen diese Katharina nur unter Vorbehalt zu empfehlen. Erwarten Sie vor allem nicht, dass die Serienlektion eine ähnlich starke Wirkung hat wie "Chernobyl". Bezug zu heute ist zwar absolut vorhanden, aber bei weitem nicht so drängend.

Katharina die Große regierte Russland von 1762 bis 1796. Sie gilt als macht- und selbstbewusste Herrscherin, die für Erneuerung steht, gleichzeitig etlichen Widerstand aushielt, allen voran von ihrem Sohn Paul (Joseph Quinn) und einer Menge russischer Adliger.

Katharinas Sohn Paul (Joseph Quinn) stellt sich seiner Mutter in den Weg.
Foto: HBO / Sky

Ebenso legendär ist die männerverschlingende Seite der großen Katharina, die ihre Liebhaber genossen und nach Lust und Laune ausgetauscht haben soll, darunter Graf Grigori Orlow (Richard Roxburgh) und der Fürst Grigori Potemkin (Jason Clarke).

Die romantische Beziehung zu Fürst Potemkin (Jason Clarke) wird über mehrere Jahrzehnte erzählt.
Foto: HBO / Sky

"Catherine the Great" erzählt im Kern die Geschichte der Romanze mit Fürst Potemkin, historische Ereignisse dienen als Kulisse dafür, etwa die Bauernaufstände des Jemeljan Pugatschow und der Krieg mit der Türkei. Die delikaten, sich hartnäckig haltenden (natürlich gänzlich erfundene) Gerüchte um ihren Tod im Zusammenhang mit einem Hengst spart HBO dankenswerterweise aus.

"Einbalsamierte Geschichte"

Es handle sich um ein "vorhersehbareres Stück einbalsamierter Geschichte", urteilte "Variety". Ganz so streng wollen wir es nicht sehen, immerhin sind wir zu Gast in einer Welt von gestern, in der sich eine Frau innerhalb einer Männerwelt behaupten musste und es recht akkurat tat. Die "großen" Männer der Geschichte agieren mehr als beleidigte Memmen (Graf Orlow: "Ich kann so nicht mehr").

HBO

Grundsätzlich ist die Ausgangskonstellation von "Catherine the Great" durchaus prickelnd, ab Folge zwei driftet alles in die Romantikspule ab. Helen Mirren allerdings spielt die Herrscherin über mehrere Jahrzehnte in mittlerem bis zu hohem Alter in langen Einstellungen und ausgiebigen Dialogen. Das ist dann doch wieder Hochgenuss. (Doris Priesching, 24.10.2019)

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