Dem "künstlichen Blatt" mangelt es noch etwas an Effizienz.

Foto: Virgil Andrei

Wien/Cambridge – In den Blättern von Bäumen und anderen Pflanzen werden sehr vereinfacht gesagt durch Photosynthese aus den Zutaten Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht Energieträger produziert. Was die Natur äußerst effizient zuwege bringt, haben Forscher auch auf technischem Weg realisiert – allerdings freilich mit deutlich geringerer Wirksamkeit: Der Prototyp für das "künstliches Blatt" wurde nun von Wissenschaftern des Christian-Doppler-Labors für Erneuerbare Synthesegas-Chemie an der Universität Cambridge im Fachblatt "Nature Materials" vorgestellt.

Sogenanntes "Synthesegas" (Syngas) besteht aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO). Aus diesem Gasgemisch lassen sich zahlreiche Produkte wie Brenn- und Kunststoffe oder Düngemittel gewinnen. "Syngas wird heute im Megatonnen-Maßstab vor allem aus fossilen Brennstoffen hergestellt – es ist also nicht erneuerbar", erklärte Erwin Reisner, der vor sieben Jahren das Christian-Doppler(CD)-Labor für Erneuerbare Syngas-Chemie an der Universität Cambridge (Großbritannien) mit dem Unternehmenspartner OMV gegründet hat.

Syngas aus Kohlendioxid und Wasser

Ziel des CD-Labors war es, nach dem Vorbild der Photosynthese die Energie des Sonnenlichts zu nutzen. "Statt wie die Pflanzen damit Zucker zu produzieren, wollen wir direkt aus Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und Wasser (H2O) bei Raumtemperatur das Synthesegas – also H2 und CO – nachhaltig erzeugen", sagte Reisner.

Der nun vorgestellte Prototyp ist das Ergebnis der bisherigen Arbeit im CD-Labor, das nach Ende der üblichen siebenjährigen Laufzeit im Frühling ausgelaufen ist. "Essenziell war es, zunächst die Katalysatoren herzustellen, die Kohlendioxid in Kohlenmonoxid und Wasser in Wasserstoff umwandeln können, und diese dann mit lichtabsorbierenden Materialien zu integrieren", so Reisner.

Der Prototyp des "künstlichen Blatts" ist ein wenige Millimeter dickes, mehrere Quadratzentimeter großes Blättchen, das aus zahlreichen Schichten aufgebaut ist und vollständig in Wasser getaucht wird. Das Licht fällt zunächst auf eine Schicht Bismutvanadat. Der laut Reisner "schon gut bekannte" Halbleiter wird dazu verwendet, mit Hilfe der kurzwelligen Lichtanteile und eines Kobalt-basierenden Katalysators Wasser in Sauerstoff aufzuspalten.

Empfindliches Perowskit

Die langwelligen Lichtanteile dringen weiter in das künstliche Blatt vor, wo sie auf Perowskit treffen – eine Materialklasse, die unter anderem bereits erfolgreich in der Entwicklung von Solarzellen eingesetzt wird. "Das Problem ist, dass Perowskite sehr feuchtigkeitsempfindlich sind. Wir haben Jahre damit verbracht, Methoden zu entwickeln, um das Material im Wasser verwenden zu können", erklärte Reisner.

Perowskit ist ein Lichtabsorber mit hoher Effizienz, der die für die Redox-Reaktionen von CO2 zu CO und von H2O zu H2 notwendigen energiereichen Elektronen liefert, die zum Katalysator wandern. Dabei handelt es sich um Kobaltporphyrin, mit dem Kohlenstoff-Nanoröhren ummantelt werden. Durch dieses Nanoröhren-Geflecht entsteht eine riesige Katalysator-Oberfläche. Zudem sind die Nanoröhren wasserabweisend, was wiederum CO2 attraktiv findet. Beide Eigenschaften liefern eine hohe Ausbeute an Kohlenmonoxid.

Bescheidene Effizienz

Noch ist die Effizienz des "künstlichen Blatts" bescheiden: "Diese bemisst sich aus der Energie des einfallenden Sonnenlichts und der im Syngas gespeicherten Energie – und da sind wir noch deutlich unter einem Prozent", sagte Reisner. Für Anwendungen müsste man nach Ansicht des Wissenschafter in einen Effizienz-Bereich von mindestens fünf bis zehn Prozent kommen. Auch die Haltbarkeit ist vor allem aufgrund der empfindlichen Perowskite eingeschränkt und liegt derzeit bei ein paar Tagen. Beide Beschränkungen machen das System noch nicht kompetitiv, "aber es funktioniert und ich bin sehr zuversichtlich. Es gibt einige Möglichkeiten, das effizienter und stabiler zu machen." (red, APA, 22.10.2019)