Forscher arbeiten an technischen Hilfsmitteln, um Naturkatastrophen wie Lawinenabgänge künftig besser bewältigen zu können.

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Drohnen könnten künftig eine größere Rolle bei Katastropheneinsätzen spielen – ausgestattet mit Infrarotsensoren könnten sie Menschen in dichten Wäldern oder verschütteten Gebäuden auffinden.

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Beim Tsunami Ende Dezember 2004 in Südostasien verunglückten viermal so viele Frauen wie Männer.

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Eher selten treten jene Katastrophen ein, die man am meisten fürchtet. Das ist vor allem der menschlichen Gefahrenwahrnehmung geschuldet, an der die Ratio nur in beschränktem Maß beteiligt ist. So haben etwa viele Menschen immer noch mehr Angst vor einem Flugzeugabsturz als vor einem Verkehrsunfall, obwohl Letzterer um ein Vielfaches wahrscheinlicher ist.

Aber dieser Umstand wird ebenso erfolgreich verdrängt wie die Gefahren, die im Gefolge des Klimawandels immer weiter wachsen. Dass im vergangenen Jahr in Österreich sehr viel mehr Menschen an den Folgen von Hitze gestorben sind als im Autoverkehr oder dass sich die jährlichen Schäden durch den Klimawandel bis 2030 voraussichtlich auf über vier Milliarden Euro vervierfachen werden, sickert erst langsam ins allgemeine Bewusstsein ein.

Im Bereich der Forschung aber wird längst an unterschiedlichsten Technologien gearbeitet, um die Folgen der künftigen Naturkatastrophen so weit wie möglich abzumildern. Die heurigen Austrian Disaster Research Days am 14. und 15. Oktober gaben einen Einblick, wie wissenschaftliche Entwicklungen bei der Bewältigung von Hochwasser, Lawinen- oder Murenabgängen, von Erdbeben, Wirbelstürmen oder bei Schutzmaßnahmen für kritische Infrastruktur helfen können.

Big-Data und Satelliten

Organisiert wurde die Konferenz vom Disaster Competence Network Austria (DCNA), das letztes Jahr von der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Graz gegründet wurde. Vorrangige Ziele des Kompetenznetzwerks sind der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Sicherheits- und Katastrophenforschung in die Praxis, die Vernetzung der unterschiedlichen Krisenmanager sowie eine bessere Vorbereitung der Bevölkerung auf mögliche Katastrophen.

Unter den zahlreichen bereits heute im Katastrophenfolgen-Management eingesetzten Technologien komme den Geoinformationssystemen eine besondere Rolle zu, betonte Keynote-Speaker Alexander Siegmund von der Universität Heidelberg.

"Sie machen die Folgen von Katastrophen überhaupt erst sichtbar und könnten eigentlich noch viel intensiver genutzt werden", so der Sprecher der European Science & Technology Advisory Group des UN Office for Disaster Risk Reduction (UNDRR).

Auch der Einsatz von Big-Data-Technologien zur Verarbeitung und Auswertung riesiger Datenmengen sei mittlerweile unverzichtbar, etwa für kurzfristige Sturmvorhersagen. Satellitentechnologien könne man beispielsweise auch für optimierte Raumplanung nutzen – "damit es erst gar nicht zu einer Katastrophe kommt". Sie leisten zudem einen wichtigen Beitrag für verbesserte Vorhersagen und eine effizientere Versorgung im Ernstfall.

Medikamente per Drohne

Ein mächtiges, aber erst in den Kinderschuhen steckendes Hilfsmittel in der Katastrophenbewältigung sind Drohnen. Mit ihrer Hilfe kann man etwa unzugängliche Katastrophengebiete aus der Luft erkunden und mit diesen Daten gezielte Hilfsmaßnahmen einleiten.

Sind Straßen unpassierbar, können sie sogar dringend benötigte Hilfsmittel wie etwa Medikamente oder Defibrillatoren transportieren. "Bislang werden in Österreich mit Drohnen vor allem Luftbilder gemacht, unter anderem bei der Suche nach vermissten Personen", berichtet Markus Gutmann vom Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme an der Universität Klagenfurt.

"Ausgestattet mit der entsprechenden Sensorik, etwa einer Infrarotkamera, können sie Menschen auch in dichten Wäldern oder eingestürzten Gebäuden aufspüren", so der Forscher und Rot-Kreuz-Mitarbeiter.

Falls Telefonnetze oder Internet durch Zerstörungen am Boden ausfallen, können Drohnen auch zum Aufbau einer Notfall- und Überbrückungskommunikation genutzt werden. Insgesamt stehe der Einsatz der unbemannten Fluggeräte in der Katastrophenhilfe zwar erst am Anfang, "doch das Potenzial dieser Technologie ist enorm".

Um dieses auszuschöpfen, bedürfe es aber noch intensiver Forschungsanstrengungen. So müssen etwa die Batterien noch deutlich leichter werden, um die mögliche Einsatzdauer, die zurzeit noch im Minutenbereich liegt, zu verlängern. Ein großes Forschungsthema sei auch der Einsatz von Multi-Drohnen-Systemen, sogenannten Drohnenschwärmen.

Eigenverantwortung jedes einzelnen

Insgesamt existiert also bereits sehr viel technologisches Know-how zur Abmilderung von Katastrophenfolgen. Aber gelangt dieses an verschiedensten Universitäten und Forschungseinrichtungen generierte Wissen auch zu den betroffenen Menschen und jenen Organisationen und Stellen, die wie Rotes Kreuz, Feuerwehr oder Bürgermeisterämter in einer Krisensituation unmittelbar reagieren müssen?

"Naturkatastrophen sind so vielfälig, dass der Staat allein nicht alles regeln kann", sagt der Geograf Alexander Siegmund.
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"Leider wissen die Akteure oft nicht, welche hilfreichen Technologien es überhaupt gibt, welchen Nutzen diese haben und wie man sie einsetzt", sagt Alexander Siegmund. Was man brauche, seien effiziente Info-Kanäle, aber auch ein Bewusstsein für die Eigenverantwortung jedes Einzelnen.

"Naturkatastrophen sind so vielfältig, dass der Staat allein nicht alles regeln kann." Deshalb wäre es wichtig, das Wissen über potenzielle Katastrophen und die nötige Handlungskompetenz im Ernstfall bereits in der Schule zu vermitteln.

Dass dieses Wissen ebenso wie das Ausmaß der Gefährdung durch eine Katastrophe höchst ungleich verteilt ist, machte der Vortrag Karin Webers von der Universität für Bodenkultur Wien deutlich. Geschlecht, sozioökonomischer Status oder Alter bestimmen maßgeblich mit, wie und ob man sich auf Naturgefahren vorbereiten und sich von ihnen erholen kann.

"Wer du bist und was du tust, bestimmt dein Schicksal auch im Katastrophenfall", zitierte sie einen Helfer nach dem verheerenden Tsunami 2004 in Indien, bei dem viermal mehr Frauen als Männer verunglückten.

Ungleiche Risiken

Die Verankerung von Diversity- und Gender-Mainstreaming im Feld der Katastrophenrisikoreduktion wurde von den Vereinten Nationen schließlich als unverzichtbar anerkannt und in das Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030 aufgenommen.

In Österreich wurde vor drei Jahren zudem das Netzwerk we4DRR (women exchange for Disaster Risk Reduction) gegründet. Expertinnen in den Bereichen Forschung, Verwaltung, Politik und Naturgefahrenmanagement haben sich darin zusammengeschlossen, um Politik und Öffentlichkeit auf die ungleiche Verteilung der Risiken aufmerksam zu machen und Gender- und Diversity-Wissen für die Katastrophenrisikoreduktion besser zu nutzen sowie neues zu erarbeiten.

Bis zum 31. Oktober können im Rahmen des we4DRR-Student-Awards übrigens noch wissenschaftliche Publikationen, Master- und Doktorarbeiten zum Thema "Gender und Disaster Risk Reduction" eingereicht werden. (Doris Griesser, 23.10.2019)