Schutzrechtsexpertin Elvira Welzig sieht in Digitalisierung und Internationalisierung jenen Hintergrund, vor dem Schutzrechtsstrategien völlig neu gedacht werden müssen.

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Eine Erfindung machen, ein Patent anmelden und während der Schutzzeit, in der anderen die Nutzung untersagt ist, die Früchte der Innovation ernten – das ist der Kerngedanke des Patentschutzes. Der stimmt zwar auch heute noch, doch ist einiges dazugekommen. Das Management von Schutzrechten ist zum strategischen Instrument geworden, das zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil beitragen soll.

Es braucht eine Strategie, was man in welchen Weltregionen zu welchem Zeitpunkt schützen lassen sollte, um den größten Vorteil zu generieren. Gleichzeitig sollte man sich Gedanken über Eigen- oder Fremdverwertungen von Schutzrechten, Lizenzierungen oder den vielfältigen Möglichkeiten von Open Innovation machen.

Große Unternehmen und Konzerne haben eigene Abteilungen für Schutzrechtsmanagement. Aber klar ist, dass jedes Hightech-Start-up, jedes technologisch innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sich heute Gedanken über den Umgang mit geistigem Eigentum machen muss.

In Zeiten, in denen Neuerungen oft nur durch interdisziplinäre, über die Grenzen von Unternehmen und Forschungsinstitutionen hinweg vernetzte Aktivitäten zustande kommen, müssen auch der Transfer und die Verwaltung von Innovation auf neue Beine gestellt werden.

Schutzrecht-Coaching

Um Start-ups und KMUs bei diesen Fragen unter die Arme zu greifen, hat sich eine eigene Förderinfrastruktur in Österreich etabliert. Bei der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) arbeiten an die 20 Mitarbeiter im Bereich des Schutzrechtsmanagements und bieten neben Strategieberatungen und Coachings auch Förderungen für die – aus Sicht kleinerer Unternehmen – teuren Patentgebühren.

Seit Sommer ist Elvira Welzig hier neue Abteilungsleiterin. Die Managerin, die auf ein Studium der Technischen Chemie an der TU Wien und frühere Tätigkeiten beim Austrian Institute of Technology und bei der Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft zurückblickt, soll sich um stärkere Vernetzung der heimischen IP-Szene kümmern und Bewusstsein für die Schutzrechtsthematik in Unternehmen und Forschungsinstituten schaffen.

Welzig unterstützt dabei auch die Weiterentwicklung der Nationale Kontaktstelle für Wissenstransfer und Geistiges Eigentum (NCP-IP), die im Jahr 2010 entsprechend einer EU-Initiative von Wirtschaftsministerium, Wissenschaftsministerium und Verkehrsministerium eingerichtet wurde und von AWS und der Förderagentur FFG operativ umgesetzt wird.

Aktuell stellt die NCP-IP eine neue Open Innovation Toolbox vor, die eine Reihe von Werkzeugen im Bereich des Technologietransfers bereitstellt (siehe Info-Kasten unten).

Für Welzig geben Digitalisierung und Internationalisierung jenen Hintergrund, vor dem Schutzrechtsstrategien völlig neu gedacht werden müssen. "Die Mittel der Digitalisierung bieten die Möglichkeit, bereits länger etablierte Produkte mit neuen Werten zu koppeln", so ein Beispiel der Schutzrechtsexpertin.

Es ist ein Phänomen, das vom Küchengerät bis zur Industrieanlage viele Beispiele kennt: "Marktführer nutzen ihre Digitalisierungsstrategie in Verbindung mit ihrer Schutzrechtsstrategie, um ihre Innovationen länger geschützt zu halten. Um weiterhin vorn zu bleiben, werden die Produkte zur richtigen Zeit mit digitalen Attributen ausgestattet", veranschaulicht Welzig.

Schutzrechte haben eine Reihe derartiger strategischer Funktionen, was auch in den Beratungen vermittelt wird: Sie schützen nicht nur Innovationen und Geschäftsmodelle, sondern erschweren auch Mitbewerbern den Marktzugang, schaffen Handlungsfreiheit oder steuern Kooperationen.

Nah am Kunden

Eine weitere Möglichkeit, die die Digitalisierung bietet, ist, dass Unternehmen die Möglichkeit haben, näher an den Bedürfnissen ihrer Kunden zu sein. "Wer bei einem Internetmöbelhändler sein Produkt selbst online planen kann, gibt auch seine diesbezüglichen Vorlieben preis. Machen das viele Kunden, kann das Unternehmen aufgrund dieser Daten neue Produkte besser an den Markt anpassen", gibt Welzig ein Beispiel.

Mittels Crowdsourcing viele Menschen in die Produktentwicklung einzubinden, kann auf vielfältige Art geschehen. Das Einfangen der "User experience" kann auch so erfolgen, dass sozusagen der Berg zum Propheten kommt: Das AWS hat beispielsweise das Innsbrucker Start-up BHS Technologies – unter anderem beim Lizenzieren externer Techniklösungen – unterstützt. Das Unternehmen entwickelt ein Hightech-Mikroskop für die Chirurgie, das Robotik, Kameras und Datenbrille nutzt.

Feedback von Ärzten ist deshalb für eine marktentsprechende Optimierung wichtig. Welzig: "Das Unternehmen ist ganz im Sinne agiler Entwicklungsmethoden mit einem Bus unterwegs. Es kommt direkt zu den Krankenhäusern, damit die Ärzte den Prototyp vor Ort am Parkplatz ausprobieren können." (Alois Pumhösel, 25.10.2019)