Von Sterbehilfe könne keine Rede sein, argumentierte der Staatsanwalt.

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Eine 53 Jahre alte Frau, die im April 2018 ihrem im Sterben liegenden Lebensgefährten im Wiener AKH den Beatmungsschlauch, eine Magensonde sowie den zentralen Dialysekatheter entfernt hatte, wurde am Dienstag am Wiener Landesgericht wegen Mordes verurteilt. Unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts erhielt die bisher Unbescholtene drei Jahre Haft, davon ein Jahr unbedingt.

Die Angeklagte war bis zuletzt bei ihrer Aussage geblieben, dass sie ihren Partner auf sein Verlangen hin getötet habe. "Wenn ich nur noch rumliege wie ein Stückerl Geselchtes, dann zieh den Stecker", soll der 70-Jährige zu seiner Partnerin gesagt haben, um ihm ein "würdiges Sterben" zu ermöglichen. Von Sterbehilfe könne keine Rede sein, hatte es von der Anklagebank geheißen, denn der 70-Jährige habe keinen konkreten Willen mehr äußern können, weil er sich zum Tatzeitpunkt bereits im Koma befand.

Die Geschworenen hatten nach überraschend kurzer Beratungszeit die Hauptfrage nach Mord mit 7:1 Stimmen bejaht. Verteidiger Daniel Gahleithner erbat Bedenkzeit, Staatsanwalt Martin Ortner gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

"Im Alkoholsuff Unfug getrieben" oder "Frage der Ehre"?

"Das ist ein bewegender Fall, der für die Öffentlichkeit, die Gesellschaft spannend ist. Was darf man mit einem Sterbenden tun, was darf man mit einem Sterbenden nicht tun?", hatte Ortner in seinem Schlussplädoyer vor der Urteilsverkündung gefragt. Die Angeklagte habe keinesfalls Sterbehilfe geleistet, sondern "im Rausch, im Alkoholsuff Unfug getrieben" und "einen absurden Mord" begangen. Die Frau hatte zuvor aus einer Wodkaflasche getrunken. Ein derartiges Verhalten sei nicht zu tolerieren: "Dann können S' auf jeder Intensivstation in Österreich einen Wega-Beamten hinstellen. Und zu einer Erbtante zwei."

Verteidiger Gahleithner hatte daraufhin gesagt: "Für sie war es eine Frage der Ehre, der Liebe, das zu tun." Der 70-Jährige – von einem schweren Herzleiden, einer Herzoperation, COPD und zwei Nierentransplantationen gezeichnet – habe seiner Partnerin das Versprechen abgenommen, ihn von seinem Leiden zu erlösen, wenn es mit ihm zu Ende geht. Als er im AKH auf die Intensivstation kam und die Frau angerufen wurde, um sich von dem Sterbenden verabschieden zu können, habe sie "das Versprechen erfüllt. Sie weiß, dass sie eine Wahnsinnstat begangen hat", sagte Gahleithner. Als gläubige Katholikin habe die 53-Jährige "wirklich sehr schwer mit sich gerungen".

"Zwei Stunden seines Lebens"

Wie der Sachverständige für Intensivmedizin, Rudolf Likar, ausführte, war der Patient zum Zeitpunkt, als die Schläuche gezogen wurden, längst nicht mehr bei Bewusstsein: "Der Sterbeprozess war im Gange." Der Mann wäre auch ohne Zutun der 53-Jährigen gestorben. Man habe ihn im Krankenhaus nur mehr mit Schlaf- und Schmerzmitteln versorgt, um Angehörigen die Möglichkeit zu geben, sich von ihm zu Lebzeiten zu verabschieden: "Wenn man die Medikamente weggenommen hätte, wäre er sofort gestorben." Auf Basis dieser Ausführungen bemerkte Staatsanwalt Ortner: "Sie hat ihm zwei Stunden seines Lebens genommen, ohne Sinn." (red, APA, 22.10.2019)