Therapeuten sind nicht zu ersetzen, aber man kann ihre Arme technologisch "verlängern", sodass der Patient täglich betreute Übungen durchführen kann.

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Die Folgen eines Schlaganfalls können sehr vielfältig sein. Sie reichen von einer geringen Beeinträchtigung bis hin zu schweren neurologischen Schäden, die zu kognitiven und sprachlichen Defiziten führen. So unterschiedlich die Symptome sind, so individuell ist auch der erforderliche Pflegeaufwand.

Eines der relativ häufigen Beschwerdebilder, das einem Schlaganfall folgen kann, sind Verkrampfungen in den Händen. Die spastischen Störungen krümmen die Hände am Gelenk nach innen. Selbst einfache Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeetasse oder das Betätigen eines Lichtschalters sind oft nicht mehr möglich.

Diese Verkrampfungen sind ein Fall für die Physiotherapie. Im Rahmen eines Reha-Aufenthalts wirkt eine gezielte Bewegungstherapie den Beschwerden entgegen. Bei intensiven Fällen wird auch Medikation in Form von Botox-Spritzen verabreicht, um die Krämpfe zu lösen. Die oft zu wiederholende Behandlung gilt als wenig günstig.

Im Projekt "Reha2030" haben sich Forschende der FH Kärnten gemeinsam mit Wissenschafts- und Wirtschaftspartnern dieses Beschwerdebild ausgesucht, um eine neue, technologisch unterstützte Therapievariante zu erproben.

Im Rahmen einer Telerehabilitation sollen Patienten mit ihren Therapeuten nach einem Reha-Aufenthalt leichter in Kontakt bleiben können und die Möglichkeit haben, die Genesung zu Hause mithilfe moderner Kommunikationsgeräte und robotischer Unterstützung voranzutreiben.

Weniger Botox

"Unser Ansatz ist, durch das Schaffen einer regelmäßigen Übungsbasis die Verabreichung von Botox zu reduzieren", erklärt Projektleiterin Christina Paril von der FH Kärnten, die das kürzlich gestartete Forschungsvorhaben mit ihren Kollegen des Forschungszentrums IARA Institute for Applied Research on Ageing, der Forschungsgruppe Active & Assisted Living (AAL) und des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen der FH umsetzt.

Kooperiert wird in dem Interreg-Projekt mit Unternehmen, Kliniken und Forschungsinstitutionen in Österreich und Slowenien. In der dreijährigen Projektlaufzeit wird ein Dienstleistungsmodell entworfen, in dem Patienten, Kliniken, Therapeuten, Technologieanbieter, Versicherungsträger und alle anderen Interessengruppen miteinbezogen werden sollen.

"Unser Modell basiert auf einem dreistufigen Prozess", erklärt Paril. Zuerst soll eine Kommunikationsplattform entwickelt werden, die den Patienten befähigen soll, auf einfache Weise mit seinem Therapeuten in Kontakt zu treten.

"Es geht um grundlegende Kommunikation. Die Patienten sollen ihr Befinden mitteilen können", sagt Paril. Darauf aufbauend soll ein Monitoringsystem entstehen. Blutdruck- oder andere Gesundheitswerte könnten übertragen werden. Ein mit Sensorik ausgestatteter Ball könnte auch Daten über die Beweglichkeit des Handgelenks sammeln, erwägt Paril.

Robotischer Handschuh

Zuletzt soll als dritte Stufe ein robotisches System entwickelt werden, das der Patient zu Hause selbst bedienen und anwenden kann. Im Rahmen des laufenden Projekts wird an einem therapeutischen Handschuh geforscht, der die Patienten bei den nötigen Streckübungen der Hände unterstützt.

Die genaue Funktion ist noch Gegenstand der Entwicklung. "Eine Überlegung ist, die Streckbewegung über eingebaute Motoren zu erzeugen, eine andere, Luft in eine maßgeschneiderte Form einzublasen, um die Faust zu öffnen", veranschaulicht Paril. Der smarte, mit Sensorik versehene Handschuh wird dann auch Teil des Monitoringsystems und übermittelt Daten über Zustand und Fortschritte des Patienten.

Diese dritte Stufe soll modular gestaltet sein – je nach Beschwerde des Patienten könnte ein jeweils geeignetes System zum Einsatz kommen und etwa auch bei Sprach- oder kognitiven Problemen helfen. Der Handschuh soll im Rahmen des Projekts in einer mehrmonatigen Testphase erprobt werden.

Ist der Ansatz erfolgreich, sollen weitere Applikationen entstehen. Bis wann könnte es ein derartiges System auf den Markt schaffen? Paril: "Auch wenn man es sich früher wünschen würde – ich glaube, dass der Projektname 'Reha 2030' einen Anhaltspunkt gibt. Früher kommt vielleicht ein 'Medical Skype', um Patienten und Therapeuten besser kommunizieren zu lassen." (Alois Pumhösel, 28.10.2019)