Carola Dertnig ist "Donauspuren" gefolgt. Diese bestehen aus Hafenpfosten.

Lisa Rastl

Es hört sich recht romantisch an: Ein Wiener Künstler fährt ins tibetische Hochland, wandert und campiert dort wochenlang, macht Fotos – natürlich analog – und notiert seine Gedanken. Aber das, was der Künstler Michael Höpfner von seinen Fußmärschen mitbringt, hat mit gegenzivilisatorischer Schwärmerei wenig zu tun.

Im Dachgeschoß der silbern glänzenden Neubaus der Landesgalerie Niederösterreich präsentiert der 1972 geborene Künstler seine Landschaftsfotos, Zeichnungen und Tagebuchnotizen. Die meisten der vielen Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen Steppen und Steinwüsten.

Kein Tibet-Pathos

Durch Höpfners Kamera werden diese Bodenoberflächen zu Mustern. Dann taucht in der Schau aber auch die gefleckte Fellzeichnung eines Schneeleopardens auf, den Wilderer erlegt haben. Höpfner präsentiert dessen Reste in fragmentierter Form auf mehreren Fotos.

Auf seinen vielen Asienreisen hat der "walking artist" auch Chinas Einflussnahme auf Tibet dokumentiert. So fängt eine seiner Serien schlichte Gebäude ein, die als Außenposten des übermächtigen Regimes fungieren. Jedweder "Free-Tibet"-Pathos bleibt Höpfner jedoch fremd.

So karg diese menschenleere Kunst daherkommt, es haftet ihr doch etwas Geheimnisvolles an. Zum Beispiel stellen die verästelten Zeichnungen von Höhenzügen keine Kartografien dar, sondern nur erinnerte oder imaginierte Bergrücken.

"Für die Menschen dort ist die Welt ein Organismus, sie leben auf einem Körper", sagt der Künstler über die Einheimischen des versteckten Tals Draykuls, das er durchwandert hat. Höpfners Arbeiten könnten ökologisch oder mythisch gelesen werden; es lohnt jedenfalls, sich auf sie einzulassen.

Historisches Flair

Eine gewisse Archaik holt auch Carola Dertnig in ihre Schau "Donauspuren". Die Künstlerin, Jahrgang 1963, reiht dort verwitterte Hafenpfosten aus dem Mittelalter auf, die im Zuge der Bauarbeiten für das neue Museum ausgegraben wurden.

Mit den Holzpfählen aktiviert Dertnig das historische Flair des Ausstellungsorts, aber für die ausgebildete Tänzerin und Professorin für Performance muss da noch mehr Bewegung rein. Für Dynamik sorgen einerseits drei große Skulpturen aus gewundenem Messingrohr mit dem Titel "Feldenkreis" und andererseits ein Trio junger Mädels, das in einem Video über den urbanen Asphalt rollert.

Sowohl Höpfner als auch Dertnig sichern Fundstücke im Fluss der Zeit, finden Spuren und hinterlassen ihre eigenen künstlerischen Fussabdrücke. Wer nach den Ausstellungen von der Terrasse des Museums auf die Donau blickt, tut das mit einem tieferen Gefühl als davor. (Nicole Scheyerer, 22.10.2019)