Die Anführerin der Coltanschürfer Nazali (Maya Enyangaro Schad) will mit Nora (Anouk Hayr) und den anderen Kindern stärker zusammenarbeiten.

Foto: Igor Ripak

Wenn die Eltern versagen, müssen eben die Kinder ran. Zum 30-Jahr-Jubiläum der UN-Kinderrechtskonvention spielen sich die Kinder in die Köpfe derjenigen, die sich um ihren Schutz, um ihre Versehrtheit, ja, um ihr Leben kümmern sollten: die Generation der Eltern.

In Kinderfressen leicht gemacht, dessen Uraufführung am Montag im Volkstheater stattgefunden hat, mimen Kinder und Jugendliche neben ihren Eltern Lehrende, sonstige Erwachsene und nicht zuletzt ihre eigenen Altersgenossen. Die Kooperation zwischen Kinder- und Jugendanwaltschaft, Dschungel Wien und Volkstheater beschränkt sich in der Regie des Vereins Die Schweigende Mehrheit (u. a. Tina Leisch) nicht nur auf die europäische Lebenswelt.

Die Situation der Coltan-schürfenden Kinder in der DR Kongo wird mit derselben Ernsthaftigkeit und Spielfreude behandelt. Auf der einen Seite stehen die von Armut betroffenen und deshalb verunglimpften Kinder des Westens; auf der anderen Seite die ebenfalls armen und von einer lebensbedrohlichen Arbeit gezeichneten Kinder im Kongo. Beide Gruppen schlagen sich mit Erwachsenen rum, die ihnen ihr Mitsprache- und Beteiligungsrecht teilweise mit Gewalt streitig machen wollen.

Gut gemeint, aber ...

Der Zuckerengel (Miriam Messinger) setzt sich gegen Mobbing zur Wehr.
Foto: Igor Ripak

Ob Klimawandel, häusliche Gewalt, Mobbing, Kinderarbeit oder Zwangsheirat – nichts bleibt einem erspart. Wie verhält sich ein Publikum, das mit solchen Themen, die von Kindern und Jugendlichen dargestellt werden, konfrontiert wird? Bizarrerweise lacht es, vor allem die Eltern, weil es sich vermutlich angesichts dieser Gräuel seine eigene Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit eingestehen muss.

Dann zeichnet sich ein noch seltsameres Bild ab: Ein kleiner, schwarzer Junge trommelt exponiert im Kreisrund der Mitspielenden auf einem Blechteller. Während ein weißer Junge den Fortnite-Tanz zum Besten gibt, wirkt die Trommlerszene wie das überkommene Stereotyp eines "primitiven" Außenseiters. Das ist angesichts des emanzipatorischen Grundtenors der Inszenierung ärgerlich. Auch weil sich die Kinder trotz ihrer inhaltlichen Vorbereitung auf die Theaterarbeit dieser Unachtsamkeit womöglich nicht einmal bewusst sind.

Kinderfressen leicht gemacht (Bühne, Kostüme: Gudrun Lenk-Wane) will sich auf die Seite der Kinder schlagen. Allerdings werden dabei unbewusst Stigmatisierungen reproduziert. Am Ende folgt tosender Applaus, mit dem sich das Publikum moralisch auf die Schulter klopft. (Huy Van Jonny Diep, 22.10.2019)