Im ersten Halbjahr 2019 überschritt das Geldvermögen der heimischen Haushalte erstmals die Marke von 700 Milliarden Euro.

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Wien – Niedrige Zinsen nagen an Vermögen und Nerven der Sparer in Österreich: So oder so ähnlich wird die Geschichte über die angeblichen negativen Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder und wieder erzählt.

Die am Dienstag von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) vorgestellten Zahlen rücken diese Geschichte in ein etwas anderes Licht. Die OeNB hat sich angesehen, wie sich das Finanzvermögen der privaten Haushalte in Österreich aktuell entwickelt hat. Neben vielen Details ist auch eine Zahl hervorstechend: Im ersten Halbjahr 2019 überschritt das Geldvermögen der heimischen Haushalte erstmals die Marke von 700 Milliarden Euro.

Damit ist das Geldvermögen in privaten Händen trotz der Weltwirtschaftskrise enorm gestiegen: Inflationsbereinigt ist das ein Plus von 24 Prozent. Von Geldvernichtung kann also keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Dass so viel mehr Geldvermögen aufgebaut werden konnte, liegt zunächst daran, dass die Einkommen insgesamt gestiegen sind.

Einkommen steigt

In den vergangenen zehn Jahren stieg das Einkommen österreichischer Haushalte pro Jahr um durchschnittlich 2,2 Prozent. Das hat mit höheren Löhnen, aber auch steigenden Beschäftigungsquote von Frauen zu tun. Hinzu kommt, dass wegen der niedrigen Zinsen zwar nicht Sparguthaben, wohl aber andere Vermögen, also Wertpapiere und Lebensversicherungen, weiterhin Rendite abwerfen. Diese Kapitalrendite ist zwar insgesamt niedriger als vor der Krise, verschwunden ist sie nicht. Über die Verteilung der Vermögen sagen die OenB-Zahlen nichts.

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Die Finanzvermögen teilen sich in verschiedene Kategorien auf. Der größte und wachsende Anteil entfällt auf täglich fällige Bankeinlagen, auch Bargeld ist bei Österreichern beliebt. Deutlich geringer geworden ist der Anteil an gebundenen Spareinlagen. Aufgrund der niedrigen Zinsen wird das in Österreich so berüchtigte Sparbuch der Oma also immer unbeliebter.

Geringer Anteil an Wertpapieren

Der Anteil diverser Altersvorsorgeprodukte am Finanzvermögen ist stabil geblieben, im internationalen Vergleich allerdings niedrig. Traditionell gering ist auch der Anteil von Wertpapieren wie Aktien, Anleihen und Zertifikaten.

Aus den Zahlen geht auch hervor, dass zumindest bei Haushalten von Blasenbildung keine Spur ist. Eine Kritik an der EZB lautet ja: Weil die Zinsen so niedrig sind, suchen Investoren immer mehr Risiko und stecken ihr Geld in Finanzprodukte. In Österreich hat diese Entwicklung bei Haushalten nicht stattgefunden. Lukas Sustala, Ökonom beim Thinktank Agenda Austria, sagt dazu: In anderen Ländern werde Geld "renditeorientierter" investiert, etwa in den Niederlanden und Deutschland. Hinzu komme, dass die private Altersversorgung via Kapitalmarkt in Österreich so unwichtig ist. Die Folge laut Sustala: "Viele Sparer haben nur sehr wenig von dem Boom an den Kapitalmärkten seit dem Ende der Finanzkrise gehabt." (szi, 22.10.2019)