Bild nicht mehr verfügbar.

Der frühere Botschafter in Kiew, William Taylor, habe Präsident Donald Trump schwer belastet, berichten US-Medien.

Foto: AP / Andrew Harnik

Washington – US-Präsident Donald Trump gerät in der Ukraine-Affäre immer stärker unter Druck: Nach Darstellung des geschäftsführenden US-Botschafters in Kiew, William Taylor, hielt Trump US-Militärhilfe für die Ukraine zurück, um seinem politischen Rivalen Joe Biden potenziellen Schaden zuzufügen.

Das geht aus dem Eingangsstatement Taylors bei einer vertraulichen Anhörung am Mittwoch im Kongress hervor, das die "New York Times" und die "Washington Post" veröffentlichten.

Trump forderte Taylors Darstellung zufolge, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj öffentlich erklärt, er ordne Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter an. Hunter Biden saß bis April diesen Jahres im Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma. Trump beharrt darauf, dass es kein "Quid pro quo" gegeben habe – also keine Forderung an Selenskyj, als Gegenleistung für US-Militärhilfe Untersuchungen über Hunter Biden in Gang zu setzen.

Öffentliche Ankündigung

Aus Taylors Aussagen geht hervor, dass Trump erreichen wollte, dass Selenskyj solche Untersuchungen öffentlich ankündigt. "Alles" sei von einer öffentlichen Ankündigung abhängig, habe der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, Taylor in einem Telefonat gesagt: Nicht nur ein geplanter Besuch Selenskyjs im Weißen Haus, sondern auch die Freigabe der eingefrorenen Militärhilfe für die Ukraine.

Taylor sagte, er habe am 18. Juli erfahren, dass die Militärhilfe in Höhe von fast 400 Millionen Dollar auf Trumps Anordnung zurückgehalten werde. Am 8. September habe Sondland ihm gesagt, dass Selenskyj eingewilligt habe, eine öffentliche Ankündigung in einem Interview mit dem US-Sender CNN zu machen. Am 11. September habe er – Taylor – dann erfahren, dass die Militärhilfe freigegeben worden sei. Er habe engen Mitarbeitern Selenskyjs danach dringend von dem geplanten CNN-Interview abgeraten.

Der Spitzendiplomat bekräftigte in seiner Aussage, dass er das Zurückhalten der Ukraine-Militärhilfe für "verrückt" gehalten habe. In einer Textnachricht an Sondland, die bereits Anfang Oktober im Zuge der Ukraine-Untersuchung veröffentlicht worden war, hatte es der Geschäftsträger als "verrückt" bezeichnet, diese Unterstützung mit der Gegenleistung einer "Hilfe bei einer politischen Kampagne" zu verknüpfen – damit war der US-Präsidentschaftswahlkampf gemeint.

Trump spricht von "Lynchmord"

Wegen der Ukraine-Affäre streben die oppositionellen Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump an. Joe Biden gehört zu den aussichtsreichen Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl im November 2020. Der Republikaner Trump tritt zur Wiederwahl an. Die Demokraten bewerteten die jetzige Aussage Taylors als schwer belastend für Trump. Dadurch werde dokumentiert, dass der Präsident "ein anderes Land erpresst hat, um eine Wahl zu beeinflussen", erklärte die Oppositionspartei.

Trump bestreitet weiterhin, jemals politische Hebel gegen Selenskyj eingesetzt zu haben, um die gewünschten Ermittlungen gegen die Demokraten zu erwirken. Allerdings wurden diese Beteuerungen zuletzt bereits vom Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, konterkariert. Mulvaney räumte vergangene Woche vor laufenden Kameras ein, dass die Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 391 Millionen Dollar (351 Millionen Euro) sehr wohl genau deshalb monatelang zurückgehalten worden waren, um Ermittlungen zur vermeintlichen ukrainischen Wahleinmischung zu erreichen.

Das Weiße Haus wies die neuen Anschuldigungen zurück und sprach von einer "koordinierten Schmutzkampagne". "Linksaußen-Abgeordnete" und "radikale, nicht gewählte Bürokraten" würden einen "Krieg gegen die Verfassung" führen, erklärte Sprecherin Stephanie Grisham. Trump habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Zuvor hatte Trump selbst das gegen ihn angestrengte Amtsenthebungsverfahren als "Lynchmord" bezeichnet.

"Alle Republikaner müssen sich vor Augen halten, was wir hier gerade erleben – einen Lynchmord. Aber wir werden GEWINNEN!", schrieb der US-Präsident am Dienstag (Ortszeit) auf Twitter.

Der Begriff Lynchmord wird in den USA mit meist rassistisch motivierten Tötungen afroamerikanischer Bürgerinnen und Bürger in der Geschichte des Landes in Verbindung gebracht. Vor allem demokratische Abgeordnete kritisierten die Wortwahl des Präsidenten daher. "Was zur Hölle stimmt nicht mit Ihnen", fragte etwa der afroamerikanische demokratische Abgeordnete Bobby Rush auf Twitter: "Wissen Sie, wie viele Menschen, die so aussehen wie ich, in der Geschichte dieses Landes von Menschen aufgehängt wurden, die aussehen wie Sie?" Er rief Donald Trump auf, den Tweet zu löschen.

Neben weiteren Demokraten kam die Wortwahl des Präsidenten auch bei einige Republikanern nicht gut an. Will Hurd, der einzige afroamerikanische Republikaner im Repräsentantenhaus, bezeichnete die Aussage im Interview mit dem TV-Sender CNN als "verrückt". Auch Mitch McConnell, Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, übte zumindest sachte Kritik am Präsidenten: "Wenn man die Geschichte unseres Landes betrachtet, würde ich das nicht mit einem Lynchmord vergleichen." (red, dpa, 23.10.2019)