Erst Alessandro Mendini, dann Luigi Colani und am vergangenen Montag also der große Ingo Maurer: Es lichtet sich der Wald der alten Designer-Haudegen. Wohl kaum ein anderer Gestalter brachte so viel Licht in ein Gefilde des Designs wie Ingo Maurer. Und das im wörtlichsten Sinne.

Lichtdesigner Ingo Maurer.
imago images / Stephan Görlich

Maurer war viel mehr als ein Techniker oder Formenentwerfer – so pathetisch es auch klingen mag: Er galt als Poet des Lichts, ein vom Sonnenpferd Eoos Erleuchteter, auch Lichtmagier wurde er genannt.

Dabei war sein Zugang ein verspielter, mitunter fast kindlicher, als könne man das Licht sowieso nie beherrschen, ihm aber dennoch den einen oder anderen Schimmer abschauen oder ihm gar ein Schnippchen schlagen.

Als Bub war Maurer, der auf der Insel Reichenau im Bodensee als Sohn eines Fischers aufgewachsen ist, viel auf dem See. Noch bevor er eine Lehre zum Schriftsetzer in Konstanz und das Studium des Grafikdesigns in München startete, erlebte er die Reflexion der Sonnenstrahlen auf dem Wasser und in den Blättern der Bäume – ein Eindruck, von dem er immer wieder erzählte.

Dabei war er zeitlebens vom Objekt Glühbirne magisch angezogen, eine Art Designmotte, die nicht loskam vom Feuer des Drahtes hinter Glas. Als "ideale Symbiose von Poesie und Technik" bezeichnete er sie einmal und beschäftigte sich trotzdem als einer der ersten Designer mit Halogensystemen, LED- und OLED-Systemen. In einem Interview mit dem STANDARD erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit der Glühbirne, die er 1986 auch in der Ausstellung "Lumières, je pense à vous" im Centre Pompidou thematisierte.

Ingo Maurers Lampe "Flatterby".
Foto: Ingo Maurer GmbH/Hersteller

"Das erste bewusste Zusammentreffen mit der Glühbirne fand im Klo meiner Eltern statt. Da hing diese Birne, und ich saß da und träumte und war von ihrer Zerbrechlichkeit fasziniert." Richtig verliebt in die Glühbirne hat sich Maurer 1966 in Venedig, nachdem er sich nach einer Flasche Wein zum Mittagessen in einer billigen Pension aufs Bett legte und über ihm eine 15-Watt-Birne baumelte. Diese Siesta beschrieb Maurer als Initialzündung.

Ein Kind dieser Liebe war die Leuchte "Bulb", eine Art übergroße Glühbirne, die seit 1966 produziert wird. 1992 verpasste Maurer "Lucellino", einer Glühbirne, die an Drähten zu schweben scheint, Flügelchen aus Gänsefedern. Ebenso eine Art skulpturaler Klassiker wurde die Lampe "Zettel’z 5", ein verästelter Lampenschirm, an dem beschriebene Papierblätter baumeln, und für die Unicef in New York entwarf er eine riesige Schneeflocke aus Edelstahl und tausenden Kristallprismen.

"Lucellino"
Foto: Ingo Maurer GmbH/Hersteller

Der Designer arbeitete aber nicht nur am einzelnen Objekt – auch zahlreiche U-Bahn-Stationen in München verdanken dem Designer ihr Lichtkonzept, das es sogar in den einen oder anderen Reiseführer schaffte. Eine seiner letzten Arbeiten war die Installation "Silvercloud", eine federbuschartige Riesenlichtskulptur für den Wintergarten des Münchner Residenztheaters. Maurer und seine Münchner Firma Design M brachten das Licht in unzählige andere Formen, nicht wenige davon sind in den Sammlungen der bedeutendsten Museen der Welt zu finden, zum Beispiel im Museum of Modern Art in New York.

Auf Goethes angeblich letzten Ausruf "Mehr Licht" angesprochen, sagte Maurer, "Ich denke, er ging in die Dunkelheit und wollte mehr Licht. Vielleicht forderte er auch mehr Offenheit für die Gehirne der Menschen." Maurer besaß viel von dieser Offenheit, kaum hätte er sonst künstlerische Objekte schaffen können, die weit über bloße Gebrauchsgegenstände hinausgehen. "Schlechtes Licht macht unglücklich", sagte Maurer nicht nur einmal. Maurer brachte ein großes Stück Glück zum Leuchten. (Michael Hausenblas, 23. 10. 2019)

Zettel’z 5
Foto: Ingo Maurer GmbH/Hersteller
Ingo Maurer Anfang Mai neben seinem Werk "Pendulum" in der Pinakothek der Moderne in München.
imago images / Stephan Görlich