Bild nicht mehr verfügbar.

Gerät zunehmend in Schieflage, weil bei der Pkw-Maut beinahe jeden Tag Ungereimtheiten auftauchen: der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Foto: Reuters / Michele Tantussi

Berlin – Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerät immer tiefer in den Maut-Strudel. Neben dem Betreibervertrag, der den Staat aufgrund der Aufhebung der unionsrechtswidrigen Mautlösung durch den Europäischen Gerichtshof einen dreistelligen Millionenbetrag kosten wird, wurde nun eine weitere brisante geheime Vereinbarung bekannt: Das Bundesverkehrsministerium hat mit Autoticket einen Vertrag geschlossen, wonach zwar die Einhebung der Pkw-Maut privatisiert wird, der Staat über seine für die Lkw-Maut zuständige Tochterfirma Toll Collect aber "wesentliche Aufgaben erfüllen" werde und vor allem "die Risiken tragen sollte", berichteten das ARD-Magazin "Report Mainz" und die "Berliner Zeitung".

Laut dem 59-seitigen Geheimvertrag hätte das Konsortium kassiert, "doch die entscheidenden Leistungen wären von Toll Collect als Subunternehmer erbracht worden", schreibt die "Berliner Zeitung".

Eine Milliarde fehlt

Die Konstruktion sei darin begründet, dass Scheuer für das Prestigeprojekt der CSU nicht ausreichend Geld zur Verfügung gehabt habe. Der Bundestag hatte dem Ministerium nur etwas über zwei Milliarden Euro genehmigt. Das Betreiberkonsortium aus Kapsch und Eventim seien laut "Report Mainz" als einzige Unternehmen in der Ausschreibung übrig geblieben; allen anderen Mitbewerbern seien die Risiken zu hoch und die Verdienstmöglichkeiten zu gering erschienen.

Die Opposition schießt sich nun so richtig auf Scheuer ein. An vielen Stellen im Verfahren sei gezielt manipuliert und gelogen worden, so der grüne Abgeordnete Sven-Christian Kindler via ARD. "Hier wurden hunderte Millionen Euro versteckt, wissentlich, und der Deutsche Bundestag wurde darüber nicht informiert", so Kindler. "Andreas Scheuer hätte das nie unterschreiben dürfen."

"Wirtschaftlich völlig unsinnig"

Der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic bezeichnete den Vertrag zwischen dem Verkehrsministerium, Autoticket und Toll Collect als "wirtschaftlich völlig unsinnig". Scheuer hätte die Vergabe bereits vergangenen Herbst stoppen sollen: "Er hätte sagen müssen: Es gibt nicht genug Geld, die Maut ist zu teuer, ein Bürokratiemonstrum. Das wollte er verhindern. Deswegen hat er angefangen zu tricksen mit der Toll Collect", zitierte die ARD den Parlamentarier Luksic.

Auch Kapsch und Eventim hätten dem Verkehrsministerium mitgeteilt, "dass ihr Angebot nicht unter drei Milliarden Euro fallen würde", hieß es im TV-Magazin weiter. Um den fehlenden Betrag zu erhalten, hätte Scheuer beim deutschen Finanzminister anfragen müssen. Das habe Scheuer nicht getan. Den Vertrag mit dem Konsortium habe er trotzdem unterzeichnet.

"Nicht marktübliche Preise"

Zuständig ist Toll Collect eigentlich für die deutsche Lkw-Maut. Laut dem Geheimvertrag wären neue Aufgaben hinzugekommen: Das Unternehmen hätte unter anderem sein Mautstellennetz dem Konsortium zur Verfügung stellen müssen, so die "Berliner Zeitung". Zudem hätte die Staatsfirma die Infrastruktur "pflegen, warten und instandhalten" müssen. Besonders brisant: Toll Collect hätte seine Leistungen zu nicht marktüblichen Preisen erbringen sollen.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag als "unzutreffend". In einer Stellungnahme an die ARD hatte das Ministerium zuvor erklärt, die Leistungen, die Toll Collect hätte erbringen sollen, hätten einen Gegenwert von 164 Millionen Euro, verteilt auf zwölf Jahre, haben sollen.

Umstrittene Konstruktion

Autoticket ist seinerseits in die Kritik geraten. Das Unternehmen sollte im Namen der Gesellschafter Kapsch TrafficCom und CTS Eventim als eine von zwei Firmen das inzwischen verunglückte Mautsystem für die Bundesregierung einführen. Autoticket soll noch nach der Kündigung durch den Bund sieben Verträge in einer Summe von mindestens 576 Millionen Euro unterschrieben haben – laut "Süddeutscher Zeitung" allesamt mit Firmen, die zu der eigenen Unternehmensgruppe gehören.

In einem Schreiben der Anwaltskanzlei des Bundesverkehrsministeriums an den früheren Vertragspartner in Sachen Pkw-Maut heißt es, dies sei der "vorsätzliche Versuch einer treuwidrigen Schädigung".

Ungewisse Zukunft

Nun mehren sich die Stimmen über eine mögliche Ablöse Scheuers. Die "Welt" bezeichnete ihn als "Minister ohne Gespür", dem das Gefühl für das "richtige Timing" fehle. Laut "Zeit" (Onlineausgabe) habe sich der Verkehrsminister mit dem Mautprojekt gleich dreimal blamiert: "Die Ausländermaut umsetzen zu wollen war von Anfang an sinnlos. Die Verträge zu unterschreiben, ohne das Urteil abzuwarten, war mindestens naiv. Sein Transparenzversprechen hat er offenbar nicht gehalten." Es seien Minister wegen "geringerer Fehler, etwa in ihren Doktorarbeiten, abgetreten".

Noch hält die CSU allerdings an Scheuer fest. Man schätze dessen "Robustheit in zentralen Fragen", eine einheitliche Linie ist allerdings nicht mehr zu erkennen. CSU-Parteichef Markus Söder sei dafür bekannt, Ämter "kühl und konsequent" neu zu besetzen, wenn er darin einen Vorteil erkenne. (red, 23.10.2019)