Garching – Ein neues Weltraumteleskop begeistert die Wissenschafter: Vor gut einem Vierteljahr startete das deutsche Röntgenteleskop eRosita ins All, nun hat das Instrument die ersten Blicke ins nahe und etwas fernere Universum präsentiert– und diese sind durchaus beeindruckend. Das Teleskop nahm die Große Magellansche Wolke in unmittelbarer Nachbarschaft zur Milchstraße ins Visier sowie zwei Galaxienhaufen in einer Entfernung von etwa 800 Millionen Lichtjahren.

Gestartet am 13. Juli 2019 im Rahmen der russisch-deutschen Raumfahrtmission Spektrum-Roentgen-Gamma (SRG), zu der auch das russische ART-XC-Teleskop gehört, absolvierte eRosita bis 21. Oktober seine 1,5 Millionen Kilometer lange Reise zum zweiten Lagrange-Punkt (L2) des Erd-Sonne-Systems und trat nun – 100 Tage nach dem Start – in die geplante Umlaufbahn um L2 ein. Die Inbetriebnahme des Teleskops wurde am 13. Oktober offiziell abgeschlossen. Doch auch wenn die wissenschaftliche Leistung des Systems hervorragend ist, verlief diese erste Phase nicht ohne Probleme.

Anomalien bei der Kamera-Steuerung

"Die Inbetriebnahme dauerte länger als erwartet, nachdem wir einige Anomalien in der elektronischen Steuerung der Kameras festgestellt hatten", erklärt Projektleiter Peter Predehl. "Aber diese Probleme zu lösen, ist genau der Grund, warum wir eine solche Phase haben. Nach einer sorgfältigen Analyse stellten wir fest, dass die Probleme nicht kritisch sind. Wir arbeiten weiter daran, aber in der Zwischenzeit kann das Programm normal fortgeführt werden."

Unsere Nachbargalaxie, die Große Magellansche Wolke (LMC), beobachtet in mehreren Einzelaufnahmen mit allen sieben eRosita-Teleskopmodulen am 18. und 19. Oktober 2019. Die diffuse Emission stammt von dem heißen Gas zwischen den Sternen der Galaxie. Die kompakten, nebulösen Strukturen im Bild sind hauptsächlich Supernova-Überreste. Die prominenteste, SN1987A, befindet sich in Bildmitte als sehr helle Quelle.
Foto: F.Haberl, M. Freyberg und C. Maitra, MPE/IKI

Die aktuellen Aufnahmen hat das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching veröffentlicht. "Die ersten Bilder, die unser Teleskop geliefert hat, zeigen die wahre Schönheit des verborgenen Universums", zeigt sich Predehl begeistert. "Um unsere wissenschaftlichen Ziele zu erreichen, brauchen wir eine hohe Empfindlichkeit, um auch weit entfernte Galaxienhaufen im Universum zu entdecken und räumlich aufzulösen. Diese ersten Bilder zeigen, dass wir das schaffen – aber wir können noch viel weiter gehen."

Kombinierte Bilder

Zusätzlich zum scharfen Röntgenblick jedes des sieben eRosita-Spiegel, ist jedes der Beobachtungsinstrumente mit einer CCD-Kamera auf dem neuesten Stand der Technik ausgestattet, die eine hervorragende Kombination aus spektraler und zeitlicher Auflösung bieten. Die ersten eRosita-Bilder wurden aus einer Reihe von Aufnahmen aller sieben Teleskopmodule erstellt, mit einer kombinierten Integrationszeit von etwa einem Tag sowohl für die Große Magellansche Wolke, als auch für das System A3391/3395 mit zwei interagierenden Galaxienhaufen in einem Abstand von etwa 800 Millionen Lichtjahren.

In der Großen Magellanschen Wolke zeigt eRosita nicht nur die Verteilung des diffusen, heißen Gases sondern auch viele bemerkenswerte Details, wie die Überreste von Supernova-Explosionen mit und ohne pulsierendem Neutronenstern im Zentrum, wie zum Beispiel SN1987A. Die Beobachtungen mit eRosita bestätigen, dass diese Quelle langsam schwächer wird, während sich die Schockwelle der Sternexplosion, die 1987 beobachtet wurde, immer weiter im interstellaren Medium ausdehnt.

Neben vielen anderen heißen Objekten in der Großen Magellanschen Wolke selbst, zeigt das eRosita-Bild auch einige Vordergrundsterne aus unserer eigenen Milchstraße, sowie weit entfernte aktive Galaxienkerne (AGNs), die durch die diffuse Emission des heißen Gases in unserer Nachbargalaxie hindurchscheinen.

Diese beiden eRosita-Bilder zeigen die beiden interagierenden Galaxienhaufen A3391, oben im Bild, und A3395, unten mit zwei Komponenten, die eRositas hervorragende Sicht auf das ferne Universum demonstrieren. Sie wurden in einer Reihe von Aufnahmen mit allen sieben eRosita-Teleskopmodulen am 17. und 18. Oktober 2019 beobachtet. Das rechte Bild hebt die "Brücke" oder das "Filament" zwischen den beiden Haufen hervor und bestätigt den Verdacht, dass diese beiden riesigen Strukturen tatsächlich dynamisch interagieren.
Foto: T. Reiprich (Univ. Bonn), M. Ramos-Ceja (MPE), F. Pacaud (Univ. Bonn), D. Eckert (Univ. Geneva), J. Sanders (MPE), N. Ota (Univ. Bonn), E. Bulbul (MPE), V. Ghirardini (MPE), MPE/IKI

Einzigartiger Blick auf das Universum

"Röntgenstrahlen erlauben uns einen einzigartigen Blick auf das Universum, das im sichtbaren Licht verborgen bleibt", erklärt Kirpal Nandra, Direktor für Hochenergieastrophysik am MPE. "Wo wir mit optischen Teleskopen einen Haufen von Galaxien sehen, zeigen uns Röntgenstrahlen die riesigen Gasreservoire, die den Raum dazwischen ausfüllen und der Struktur der Dunklen Materie des Universums folgen. Mit der jetzt demonstrierten Leistung können wir sicher sein, dass eRosita zu einem Durchbruch in unserem Verständnis der Entwicklung des energiereichen Universums führen wird."

Das eRosita-Bild der beiden interagierenden Galaxienhaufen A3391 und A3395 zeigt die dynamischen Prozesse, die zur Entstehung gigantischer Strukturen im Universum führen. Die beiden Haufen, die in den Bildern als große, elliptische Nebel erscheinen, erstrecken sich über mehrere Millionen Lichtjahre und enthalten jeweils Tausende von Galaxien. Galaxienhaufen sind eines der wissenschaftlichen Hauptziele für eRosita.

Himmelsdurchmusterung soll Millionen Schwarze Löcher finden

Die Astronomen gehen davon aus, dass sie bei ihrer vierjährigen Himmelsdurchmusterung im weichen und harten Röntgenbereich rund 100.000 Galaxienhaufen sowie mehrere Millionen aktive schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien finden werden. "Wenn wir die Entwicklung der Galaxienhaufen über kosmische Zeitskalen hinweg verfolgen, können wir die kosmischen Parameter präzise messen und so die Dunkle Materie und Dunkle Energie besser verstehen, die das Universum dominieren", sagt Astrophysikerin Esra Bulbul, die die Arbeit an Galaxienhaufen und in Bezug auf Kosmologie am MPE leitet.

Das Teleskop ist nun in die so genannte Phase der Kalibrierung und Leistungsüberwachung (CalPV) eingetreten, in der astronomische Beobachtungen durchgeführt werden, um das Instrument besser zu verstehen und sein gesamtes Potenzial zur Erfüllung der wissenschaftlichen Anforderungen zu überprüfen. Am Ende der CalPV-Phase, nach einer abschließenden Prüfung durch das Betriebsteam, beginnen SRG und eROSITA mit ihrer Hauptaufgabe, der vollständigen Himmelsdurchmusterung über vier Jahre hinweg. (red, 23.10.2019)